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Mondscheintarif

Mondscheintarif

Titel: Mondscheintarif Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ildikó von Kürthy
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entsorgen. Zum Park ist es nicht weit, und ein bisschen frische Luft wird mir guttun.

23   :   05
    Ich bin die dämlichste, unattraktivste Kuh, die dümmste Nuss, die ich jemals kennengelernt habe.Diese Erkenntnis habe ich innerhalb der vergangenen dreißig Minuten dank eines vertrockneten Nadelbaumes gewonnen. Das geschah folgendermaßen:
    Ich ließ also, wie jedes Jahr im Spätsommer oder Frühherbst, vorsichtig den Weihnachtsbaum von meinem Balkon im ersten Stock hinunter auf den Gehweg. Ich tauschte schnell mein Nachthemd gegen ein ehemals blaues, jetzt blassgrau-verwaschenes Sommerkleid und lief runter zu meinem Baum. Übrigens barfuß. Ich finde, wenn man sommernachts ohne Schuhe, einen Tannenbaum hinter sich herschleifend, durch die Straße geht, hat das so was ganz Eigenes. So was Besonderes. Manche würden es womöglich für besonders bescheuert halten. Bin mir da aber nicht sicher. Ich finde es besonders interessant und exzentrisch.
    ‹Nackte Füße auf nacktem Asphalt.› So könnte eigentlich auch ein Dreiteiler bei RTL heißen, in dem es um eine glutäugige Schöne geht, die sich im Dschungel einer ihr unbekannten Großstadt auf die Suche nach ihrem Vater macht, der von Schuften verschleppt wurde, die versuchen wollen, ihm das Geheimnis zu entlocken, wo er die Mikrofilme, die ihm seine Frau, eine Spionin mit tarnender bürgerlicher Existenz, auf dem Sterbebett zugesteckt hat.
    Wenn alle Stricke reißen, kann ich immer noch Drehbuchautorin werden.
    Stolz und exzentrisch zog ich den Weihnachtsbaum hinter mir her, eine deutliche Spur aus vertrockneten Tannennadeln zurücklassend. Ich begegnete niemandem auf dem Weg zum Park. Aber mir war sowieso alles egal. Ich hatte mit meinem Leben abgeschlossen. Sollten sie doch lachen, sollten sie mich doch verspotten. Ich hatte Schlimmeres ertragen müssen.
    Dass es allerdings noch schlimmer kommen würde, erfuhr ich, als ich in den schmalen, spärlich beleuchteten Weg einbog, der von der Straße zum Park und von dort aus in ein kleines Tannenwäldchen führte, wo ich mein schütteres Bäumchen dezent zwischen seinen Artgenossen beerdigen wollte.
    Mittlerweile gibt es dort schon einen regelrechten Friedhof für ausrangierte Weihnachtsbäume. Denn ich lebe seit etwa zehn Jahren in dieser Gegend.
    Ich marschierte den schwummerigen Pfad entlang, als mir ein Paar entgegenkam. Arm in Arm, sich leise unterhaltend, wie sich das gehört. Um mir ihren Anblick zu ersparen und ihnen meinen, hob ich den Baum an, sodass seine kümmerliche, nackte Spitze ein wenig mein Gesicht verdeckte. Ich hätte auch lieber einen Mann statt einer Tanne im Arm gehabt. Aber was nicht ist, das ist nicht. Man muss das Beste draus machen. Mit gesenktem Blick stapfte ich weiter, war schon halb an den beiden vorbei, als mich eine Stimme wie ein Donnerschlag traf.
    «Cora?»
    Ich lugte hinter meinem Baum hervor. Und erstarrte. Wo war das sich auftuende Loch im Erdboden, um mich gnädig zu verschlucken? Man möge sich an dieser Stelle bitte noch einmal mein Erscheinungsbild in Erinnerung rufen: Ich stehe nachts barfuß, mit einem schäbigen Kleidchen in einem Park, mit einem Tannenbaum-Gerippe in der rechten Hand, an dem noch Lamettareste hängen und das mein schamrotes Gesicht nur unzureichend verdeckt. Ich tat das Einzige, was man in so einer Situation tun kann. Ich tat, als sei nix.
    «Ach, hallo Daniel! Wie geht’s?» Ich schaffte es sogar, Ute Koszlowski schmallippig anzulächeln. Die glotzte mich an, als sei ich eine Frau, die mitten im Sommer einen Weihnachtsbaum im Arm hat.
    «Äh, danke, gut.» Daniel nahm hastig seinen Arm von Utes abstoßend schmalen Schultern.
    Bloß nichts anmerken lassen! Cool bleiben. Nicht durchdrehen. Ehe einer von den beiden auch nur irgendetwas sagen konnte, nickte ich freundlich.
    «Tja dann, schönen Abend noch», rief ich fröhlich und setzte meinen Weg fort, so würdevoll, wie es mir unter diesen Umständen möglich war.
    Ich schaffte es noch, die Tanne zu ihrer Grabstätte zu schleppen,oder schleppte sie mich?, und sie dort fallen zu lassen. Dann hockte ich mich auf einen Baumstumpf, betrachtete verstört meine Füße und dachte erst mal nichts.
    War das eben wirklich geschehen? Ute Koszlowski im Arm des Mannes, auf dessen Anruf ich seit Stunden wartete? Ich epiliere mir die Beine, belästige meine besten Freunde mit liebestollem Gejaule, beschwöre mein Telefon zu klingeln, während Dr.   Daniel Hofmann mit einer drittklassigen, viel zu dünnen

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