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Mondscheintarif

Mondscheintarif

Titel: Mondscheintarif Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ildikó von Kürthy
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makes your love come down like waterfalls?
    I thought you knew. Come on Baby, let’s do this.»
    Mmmmh. Yeah.

19   :   34
    Telefon!
    Ich geh nicht dran. Ich geh nicht dran. Das wird Jo sein, und sie wird mit mir schimpfen. Aber wenn es Daniel ist? Was, wenn er nicht auf Band spricht? Ich muss es wagen.
    «Hübsch?»
    «Hallo! Gleich fängt ‹Wetten, dass   …?› an. Guckst du auch? Dachte, ich ruf dich vorher noch kurz an.»
    «Hallo Mama.»
    «Kind, wie geht’s dir? Warum bist du nicht unterwegs bei dem herrlichen Wetter? Papa und ich haben heute eine wunderbare Radtour gemacht. Papa hat richtig Farbe im Gesicht bekommen. Aber du weißt ja, der wird braun, wenn er die Sonne bloß von weitem sieht.»
    «Ach, ich   …»
    «Hast du schon von Stefanie gehört?»
    «Nein, was?»
    «Deine Cousine hat gestern Abend ihr Kind bekommen! Ein Junge! Was sagst du dazu?»
    «Ich wusste gar nicht, dass sie schwanger war.»
    «Natürlich wusstest du das, Kind. Ich hab’s dir doch erzählt. Du interessierst dich einfach nicht für deine Familie.»
    «Ach Mama.»
    «Doch. Na egal. Jedenfalls ist die Geburt ohne Komplikationen verlaufen. Kam rausgeschossen wie ein Sektkorken, der kleine Junge. Ganz anders als bei dir damals.»
    «Mmmh.» Bitte nicht das. Die Geschichte muss ich mir bei jedem Familienfest anhören. Wie mich der Arzt, weil ich so ein dickes Baby war, mit der Saugglocke holen musste. Und dass ich ganz viele Haare auf dem Kopf hatte, sodass die Hebamme sagte: «Tja, manche kommen auf die Welt und müssen gleich zum Friseur.»
    Jedes Mal, wenn meine Mutter von meiner Geburt erzählt, werde ich hundert Gramm schwerer und dauern die Wehen eine Stunde länger. Einmal, als es mir wirklich zu bunt wurde, habe ich ihr gesagt, sie solle sich nicht so anstellen. Ich hätte von einer befreundeten Hebamme gehört, wenn man ein Kind bekomme, sei es so, als kacke man die dickste Wurst seines Lebens. Das hat sie wirklich gesagt, und ich fand es recht anschaulich.
    Meine Mutter war tödlich beleidigt, schwieg einen Moment lang und sagte: «Ich hätte dich nie ermuntern sollen zu sprechen.»
    Seither verkneife ich mir solche Kommentare.
    «Stefanie ist achtundzwanzig. Und das ist ihr zweites Kind.» Ich hörte den vorwurfsvollen Ton in ihrer Stimme. Ich hasse es, dass alle weiblichen Wesen in meiner weitverzweigten Familie ständig werfen. Das setzt mich unter Druck.
    «Meine Nachbarin ist auch gerade wieder schwanger», sagte ich.
    «Siehst du.»
    «Sie war eben mit ihrem Mann bei mir. Sie haben sich furchtbar gestritten. Sie hat sogar eine Vase vor Wut zerschmissen.»
    «Doch nicht etwa die, die ich dir aus China mitgebracht habe!?»
    «Äh, nein. Eine andere.» Gute Güte, wie kann ich nur so blöde sein? Hätte ich nichts gesagt, die fehlende Vase wäre ihr niemals aufgefallen.
    «So, Kind, ich muss Schluss machen. Papa will noch was essen. Wir wollen nächste Woche mal bei dir vorbeischauen. Sag uns einfach, wann’s dir passt. Tschühüss.»
    Auch das noch. Woher bekomme ich eine neue Vase? Woher nehme ich die Zeit, meine Wohnung bis dahin gründlich zu reinigen? Sonst verbringt meine Mutter wieder die Hälfte der Zeit damit, die Küchenschränke von innen mit Essigwasser auszuwischen und die diversen Kosmetikartikel im Bad nach Sachgebieten zu ordnen. Und meine Putzfrau ist schwanger und geht nach Polen zurück. Werde jetzt Wäsche aufhängen und dann bügeln. Beides beruhigende, meditative Tätigkeiten, die Demut und Sorgfalt erfordern.
    Ist es eigentlich normal, sich mit seiner Bügelwäsche zu unterhalten? Ich habe nie darüber nachgedacht. Aber heute Abend ist ein Abend, an dem ich selbst an meinen gewöhnlichsten Eigenschaften zweifle.
     
    Diesmal hatte ich die Gelegenheit und die Gelassenheit, mir Daniels Wohnung genauer anzuschauen. Besonders die Küche, während er den Wein entkorkte, und das Bad, während ich mir hurtig im Waschbecken die Füße wusch.
    Erleichtert stellte ich in beiden Räumen eine ausgewogene Mischung zwischen Reinlichkeit und Sünde fest. Im Kühlschrank konnte ich einen Blick auf zwei Tafeln Kinderschokolade, eine Flasche Wodka im Eisfach und drei Gläser rechtsdrehenden Joghurt erhaschen. Auf dem Küchentisch stand eine Schale mit Obst, daneben der Aschenbecher für Gäste, und glücklicherweise sah ich nirgends eine Getreidemühle.
    Auch das Badezimmer entsprach meinen Vorstellungen vom Badezimmer eines vielversprechenden Mannes. Eine Dose Niveacreme und daneben ‹Envy› von Gucci.

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