Mondscheintarif
guten Champagner habe, weiß ich noch genau, wie es sich anfühlt, eine Bacardi-Cola in einen von ‹Ho Ho Ho Chi Minh›-Rufen heiseren Hals zu kippen.»
Was sagt uns das IKE A-Billy -Regal, die vollständige Karl-May-Bibliothek, der mannshohe Computer, umgeben von Millionen von Disketten?
Folgendes: «Ich liebe meine Mutter, das bilde ich mir zumindest ein, Analverkehr halte ich für pervers und Achselbehaarungfür erotisch. Mein Zuhause ist das Internet, mit Jule Neigel würde ich gerne mal eine Nacht verbringen, und ich habe nichts dagegen, wenn meine zukünftige Frau fleischfarbene Strumpfhosen trägt.»
Nun ja, solche Wohnungen sind zumindest ehrlich eingerichtet. Schlimmer sind die, die versuchen, etwas zu verbergen.
Unter edelster Auslegware kann ein schlechter Charakter stecken. Hinter handbemaltem Porzellan eine dominante Mutter und unter teuersten Taschenfederkernmatratzen ein fürchterlicher Erbsenzähler. Ekelhafteste Machos vertuschen ihre Frauenfeindlichkeit gerne, indem sie im Badezimmer für ihre weiblichen Gäste Tampons in verschiedenen Größen bereitstellen.
Und ein gerahmtes Plakat aus dem ‹Museum of Modern Art› kann der aufmerksamen Frau nur eines sagen: «Mein Besitzer ist ein armes Schwein. Er hat Flugangst, war noch nie in New York, hält Picasso für die Nachfolgeband von Tic Tac Toe und sich selbst für einen guten Liebhaber.»
Meine Wohnung gehört leider zu den ehrlich eingerichteten Wohnungen. Deswegen überlege ich mir jedes Mal sehr genau, wen ich mit nach Hause nehme und wen nicht. Die Haustür zu öffnen, jemanden einzulassen, das ist, wie wenn man sich auszieht. Nach und nach kommt die Wahrheit ans Tageslicht. Mit dem Push-up-BH, der Wonder-Po-Strumpfhose, der vorteilhaft geschnittenen Jeans verabschiedet sich das Bild, das man dem geneigten männlichen Betrachter von sich selbst vermitteln möchte. In meiner Wohnung bin ich immer nackt.
Sascha hatte mein intensives Schweigen leider als Aufforderung aufgefasst, das Thema anspruchsvolle Literatur noch zu vertiefen.
«Welches Buch von Don DeLillo halten Sie für sein bestes?» Er schaute mich freundlich an und erinnerte mich an meinen Religionslehrer während meiner mündlichen Abiturprüfung.
Don DeLillo? Don DeLillo?? Verdammt, der Name kam mir bekannt vor.
«Aaah, mir gefällt sein Roman ‹Unterwäsche› total gut!», rief ich erleichtert. Ich hatte es neulich irgendwo im Schaufenster gesehen. Ein Hoch auf mein gutes Gedächtnis.
Damit, so glaubte ich, war das Eis gebrochen. Als ich am nächsten Tag Gelegenheit hatte, seinen Nachttisch persönlich kennenzulernen, schwieg Sascha dezent, was ich ihm bis heute hoch anrechne. Das Buch von diesem verfluchten DeLillo lag gleich neben der Leselampe. Und es heißt ‹Unterwelt›. Früher oder später kommt’s halt raus, wenn man gebildeter tut, als man ist. In diesem Fall leider früher.
Wir verplauderten entspannt unseren ersten Abend – das heißt, Sascha plauderte, ich hörte zu. Ich stellte viele Fragen, bloß um nicht wieder in die Verlegenheit zu kommen, Antworten geben zu müssen. Und er fühlte sich sichtlich wohl. Männer lieben Frauen, die ihnen das Gefühl geben, interessant zu sein. Und sie halten jede Frau für klug, die ihnen zuhört.
Um einen nachhaltig guten Eindruck zu hinterlassen, sollte man bei der ersten Verabredung nur zwei Sätze in regelmäßigen Abständen sprechen:
1.) Erzählen Sie mehr davon, das interessiert mich sehr.
2.) Ach, das habe ich nicht gewusst.
Ich habe Sascha an diesem Abend nicht mit zu mir nach Hause genommen. Ich bin noch nicht mal mit zu ihm gegangen. Wir taten es gleich vor Ort, auf der Herrentoilette.
Wir wussten, dass wir füreinander bestimmt waren, denn nach mühsamer Fahndung hatten wir doch noch etwas entdeckt, was wir gemeinsam hatten. Sascha und ich, so fanden wir an unserem ersten Abend heraus, mochten beide kein Zitroneneis. Und wir hielten das für einen vielversprechenden Anfang.
17 : 53
Dr. Daniel Hofmann. Ich werde dich jetzt anrufen. Wer bin ich denn, dass ich mich hier zur Komplettidiotin mache? Glotzedas Telefon an, beschäftige mich mit Weihnachtsbäumen und gescheiterten Liebesbeziehungen.
Gute Güte! Wie tief bin ich gesunken! Wenn ich ihn jetzt anrufe, wird er glauben, ich hätte Interesse an ihm. Weiß doch jedes Kind, dass man damit jeden Mann vergrault. So was verschreckt sie. Dann ziehen sie sich sofort in ihr Schneckenhäuschen zurück und sind nur durch stete und lang
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