Moni träumt vom großen Glück
Bitte sehr, hier hast Du Deinen Anteil! Verwende ihn vernünftig, oder sagen wir: Verwende ihn für etwas, was Du Dir brennend wünschst; denn Wünsche hat ein siebzehnjähriges Mädchen bestimmt! Kaufe Dir etwas dafür, das Du Dir sonst nicht hättest leisten können.
Mit den restlichen 4000 Mark habe ich einen ganz egoistischen Plan. Damit werde ich mir selbst einen seit Jahren gehegten Wunsch erfüllen. Ich werde an einer Fotosafari in Afrika teilnehmen. Nein, nein, Dein alter Opa ist nicht verrückt geworden! Ich habe die Reise schon gebucht, und ich freue mich wie ein Kind!
Nun, meine kleine Moni, verlebe einen schönen und festlichen Geburtstag. Beneidenswertes Mädchen! Siebzehn Jahre! Weißt Du eigentlich, wie glücklich Du bist? Ein ganzes, langes, schönes Leben hast Du vor Dir. Nutze die Zeit vernünftig aus, mein Mädchen, so daß Du, wenn Duso alt wirst, wie ich es jetzt bin, Dir nicht allzuviele Selbstvorwürfe zu machen brauchst. Ich gratuliere Dir von ganzem Herzen und wünsche Dir für Dein neues Lebensjahr alles mögliche Gute!
Seid beide herzlich umarmt von Deinem alten, aber noch sehr rüstigen Opa.“
Ich las den Brief noch einmal und ein drittes Mal. Dann reichte ich ihn Mutti. Mutti las ihn, und sie lächelte, als sie mir ihn zurückgab.
„Der gute Opa“, sagte sie. „Er ist und bleibt goldig. Ja, siehst du, so eine Versicherung hat etwas für sich!“
„Wem sagst du das, Mutti? Wenn ich an Vati denke, wie er meine Zukunft gesichert hat… Weißt du noch, daß ich damals Seiltänzerin werden wollte?“
Mutti nickte und lächelte. Wir hatten öfters von dem Tag gesprochen, als Vati ganz feierlich ein Dokument in seinen Schreibtisch einschloß. Natürlich stand ich neben ihm, neugierig wie immer. Meine Nase reichte wohl nicht weit über die Schreibtischkante.
„Was ist das, Vati?“ fragte ich.
„Ein Papier, das dir gehört, Monilein“, lächelte Vati.
„Dann gib es mir doch!“ verlangte ich. Vati schüttelte den Kopf.
„Noch nicht“, sagte er. „Wenn du ein großes Mädchen geworden bist, dreimal so alt wie jetzt, dann kriegst du es. Dann gehst du damit in ein ganz großes Büro, gibst es ab, und dafür gibt man dir viel Geld.“
„Dann kann ich mir ein Rad kaufen“, meinte ich.
„Nein“, sagte Vati. „Das kannst du nicht. Aber du kannst damit zahlen, wenn du etwas lernen willst. Wenn du eine Ausbildung brauchst.“
„Was ist Ausbildung?“ fragte ich unermüdlich. Vati verlor nie die Geduld. Jetzt setzte er sich hin und nahm mich auf seinen Schoß.
„Nun paß mal auf, Moni. Alle Menschen müssen etwas lernen, alle müssen etwas werden. Wenn du Köchin werdenwillst, mußt du kochen lernen. Wenn du eine Schneiderin werden willst, mußt du nähen lernen. Wenn du Ärztin werden willst, mußt du viele Jahre hindurch lesen und lernen, wie man kranken Menschen hilft. All das Lernen kostet Geld. Und das Geld kriegst du für dieses Papier, wenn du groß geworden bist. Was möchtest du dann lernen, Moni? Was willst du werden, wenn du groß bist?“
„Seiltänzerin!“ rief ich. „Muß man dann lange lernen, Vati?“
Da lachte Vati so herzhaft, daß Mutti aus der Küche reinkam, und dann lachte sie auch. Ich war am Tage vorher zum ersten Mal in einem Zirkus gewesen und hatte sofort meine Zukunftspläne fix und fertig, als ich ein kleines Mädchen hoch oben auf dem Seil gesehen hatte.
Später wollte ich allerdings Schauspielerin werden, mit zwölf hatte ich mich für die Schriftstellerei entschieden, aber mit fünfzehn kam ich endlich zu einem endgültigen Entschluß, und bei dem ist es auch geblieben: Ich wollte und will entweder Kindergärtnerin oder Fürsorgerin werden. Oder vielleicht… vielleicht Krankenschwester. Aber ich glaube, es bleibt bei Kindergärtnerin oder Kinderpflegerin. Ich liebe Kinder, und am allerschönsten fände ich es, etwas für elternlose, heimatlose Kinder tun zu können.
Nun, alle diese Gedanken schossen mir noch einmal durch den Kopf, als ich dastand mit dem Hundertmarkschein in der Hand.
„Ich weiß tatsächlich nicht, was ich dafür kaufe“, sagte ich. „Weißt du, ich glaube, ich muß erst einmal darüber schlafen!“
„Das tu man“, sagte Mutti. „Handle nur nicht überstürzt, du kriegst nicht jeden Tag einen Hundertmarkschein!“
Ich legte den blauen Schein in meine Schreibtischschublade, und dann konnte ich endlich zu meinem Geburtstagstisch gehen, um alle die netten Päckchen aufzumachen. Kurz danach klingelte es,
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