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Monika B - Ich bin nicht mehr eure Tochter

Monika B - Ich bin nicht mehr eure Tochter

Titel: Monika B - Ich bin nicht mehr eure Tochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Jaeckel
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irgendwie war ich wohl schon von Anfang an auf Widerstand gepolt. Ich kam nicht im Wonnemonat Mai auf die Welt, um Papa zum Geburtstag zu beglücken, sondern an einem trüben, nasskalten Wintertag, unmittelbar nach Nikolaus. Ja, selbst meinen Namenstag verweigerte ich meinem Vater zu seinem Geburtstag um vierundzwanzig Stunden.
    Als ich irgendwann als junger Teenager zum ersten Mal darüber nachdachte, fing ich an, meinen Namen zu lieben. Die Vorstellung tröstete mich, dass diese Zeitverschiebungen meine eigenen inneren Widerstände dagegen symbolisierten, total in das Leben meines Vaters aufgesogen und darin vernichtet zu werden.
    Doch dies änderte natürlich nichts an der Einstellung meines Vaters. In seinen Augen war ich als sein Eigentum auf die Welt gekommen. Ich war sein Geschöpf. Ihm gehörte ich. Ohne ihn war ich nichts und hatte nichts, nicht einmal einen Namen.
    Wie oft erzählten mir später Oma Berta oder Tante Inge von dem rauschenden Fest anlässlich meiner Taufe. »Als ob du eine Prinzessin gewesen wärst!«, erinnerte sich die Schwester meines Vaters. »Das erste Mädchen in unserer Familie. Alle hatten Jungen, und da kam ausgerechnet unser Junior und brachte so etwas Süßes fertig wie dich. Wenn das kein Grund zum Feiern war! Das Fest war doppelt, ach was, fünfmal so toll wie bei den Jungen. Wir waren alle total aus dem Häuschen, so haben wir uns gefreut.«
    »Damals warst du noch richtig süß«, sagte meine Oma. »Ein niedlicher Fratz, etwas zum Knuddeln, ein richtiger kleiner Speckengel. Dein Taufkleid habe ich selbst genäht und bestickt. Wochenlang habe ich daran herumgestichelt. Das habe ich mir nicht nehmen lassen. Schön sahst du darin aus mit deinen großen blauen Augen. Wer hätte gedacht, dass mal ein solches Trampeltier aus dir wird mit Schuhgröße 44!«
    Speckengel, Trampeltier ... In den Augen von Mutter und Oma Berta war ich kein Kind zum Vorzeigen. Sie schämten sich, mit mir Pummelchen im Kinderwagen loszuziehen. In den ersten Monaten nach meiner Geburt ging es noch. Da war es winterlich kalt. Man konnte mich dick anziehen und gut zudecken. Wenn einer in den Wagen schaute, sah er nur ein kleines Mondgesicht in den Kissen. Bis zum Frühjahr, so hoffte meine Mutter, würde ich schon etwas weniger speckig aussehen.
    Das Frühjahr kam, doch meine Speckfalten blieben. Als andere Kinder meines Alters zu krabbeln begannen, traf ich keine Anstalten dazu. Ich rollte mich lieber auf dem Boden herum und kam auch so ans Ziel. Dass Füße zu etwas anderem als zum An-den-Zehen-Spielen da sein könnten, fiel mir auch nicht ein, als die gleichaltrigen Kinder von Nachbarn und Freunden meiner Eltern laufen lernten. Selbst zum Sitzen war ich offensichtlich zu faul oder zu fett oder beides.
    Meinen Vater störte das alles nicht. »Kommt schon noch«, sagte er. »In meiner Familie sind die Kinder alle groß und schwer. Da dauert es eben ein bisschen länger, bis die Muskeln stark genug sind.«
    Er trug mich auf dem Arm. Er schmuste mit mit. Er spielte mit mir »Hoppe, hoppe Reiter«, sang mir Lieder und baute mir Bauklotztürme, die ich mit beiden Händen wieder umstieß.
    War er unterwegs, brachte er mir etwas mit. Und ganz egal, ob ich bei seiner Heimkehr schlief oder gerade gefüttert wurde – er musste mich aufnehmen, abküssen, musste spüren, welche Freude ich an seinem Geschenk hatte.
    »Und ich?«, fragte meine Mutter oft, wenn sie ihm zusah. »Kriege ich nichts?«
    »Doch, einen Kuss!«, sagte mein Vater dann und nahm meine Mutter in den anderen Arm. »Reicht das nicht?«
    Heute glaube ich, dass meine Mutter schon damals anfing, eifersüchtig auf mich zu werden.
    Oder sollte es stimmen, was eine Freundin, der ich später davon erzählte, einmal sagte: dass meine Mutter damals versucht habe, meinen Vater von mir abzulenken, weil ihr seine Liebe zu mir Angst machte? Sollte sie tatsächlich misstrauisch geworden sein – und gleichzeitig vielleicht voll Sorge und Scham gewesen sein, derartige Gedanken überhaupt zuzulassen und einem so wunderbaren Ehemann und Vater damit heimlich Unrecht zu tun?
    Ich selbst habe von einer solchen Angst um mich nichts bemerkt – in meiner Kindheit nicht und später erst recht nicht. Vielmehr zeigten mir bestimmte Bemerkungen, die meine Mutter im Streit, in der Wut fallen ließ, dass sie mich schon in den ersten beiden Jahren meines Lebens immer stärker abzulehnen begann.
    Wollte ich von ihr auf den Arm genommen werden und streckte ihr die Arme entgegen,

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