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Monika B - Ich bin nicht mehr eure Tochter

Monika B - Ich bin nicht mehr eure Tochter

Titel: Monika B - Ich bin nicht mehr eure Tochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Jaeckel
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nahm sie mich selten auf. Meist schüttelte sie den Kopf und sagte: »Bei mir kommst du damit nicht durch! Heb endlich deinen dicken Hintern, und beweg dich!«
    Wenn Freunde kamen, hätte meine Mutter mich damals am liebsten versteckt. Es war ihr peinlich, wenn jemand spöttelte, was für ein gut entwickeltes Kind ich doch sei, oder ihr Diätratschläge für Babys erteilte. Und zu allem Unglück schien ich nicht nur körperlich eine Null zu sein, sondern auch geistig. Ich sprach nämlich lange nicht.
    Nur mein Vater verstand mich. Mit einer Kombination von Gesten und Babykauderwelsch konnte ich mich ihm mitteilen.
    Vor Jahren erzählte meine Lieblingstante Inge mir, mein Vater habe damals so gut meine Sprache nachahmen und mit mir »reden« können, dass alle sich vor Lachen gebogen hätten. Alle – nur meine Mutter nicht. Sie wollte, dass ich richtig sprach. Nur geübt, sagte meine Tante, habe meine Mutter nicht mit mir ...
    »Ein normales Kind lernt von allein reden«, sagte meine Mutter einmal zu ihr. »Glaubst du denn, ich habe nichts Besseres zu tun, als ihr alles vorzukauen? Die Moni ist ein Dickkopf, die redet bloß deshalb nicht, weil sie merkt, wie gern wir das möchten. Aber ich lasse mich damit nicht unter Druck setzen. Nicht von so einem kleinen Kind!«
    Tante Inge war zwar anderer Meinung als meine Mutter, aber sie äußerte sich nicht weiter dazu. Sie wollte sich nicht in die Familienangelegenheiten meiner Eltern einmischen, zumal ihr nicht verborgen blieb, dass der Haussegen bei ihnen immer öfter einmal schief hing.
    Meine Mutter war nämlich alles andere als eine gute Hausfrau. Woher auch? Als Mädchen hatte sie kaum im Haushalt helfen müssen, weil ihre Mutter ihr alles vom Hals gehalten hatte, damit sie Zeit zum Lernen fand. Nur auf sich selbst gestellt, erledigte sie die Hausarbeit mit größtem Widerwillen. Schon in den ersten Ehemonaten, als sie sich noch redlich Mühe gab, breitete sich immer mehr Chaos im Haus aus.
    Mein Vater indes war auf seine Weise mindestens ebenso verwöhnt wie meine Mutter. Er war immer von hinten und vorne bedient worden. Gebügelte Hemden und Hosen, eine saubere Wohnung, ein tadellos gedeckter Tisch – für ihn war das alles selbstverständlich. Dass seine Frau diesen Ansprüchen nicht gerecht wurde, war eine böse Überraschung für ihn.
    Ratlos vertraute er sich seiner Schwester Inge an. Diese beruhigte ihn jedoch. »Das gibt sich«, sagte sie. »Alles ist noch so neu. Hilf ihr ein bisschen, zeig ihr, wie sie es machen soll. Ich helfe ihr auch. Dann klappt es schon. Du wirst sehen, sie lernt alles ganz schnell.«
    Doch leider zeigte meine Mutter sich wenig anstellig. Immer öfter und immer selbstverständlicher half meine Lieblingstante aus, damit das Tohuwabohu im Haus einigermaßen erträglich blieb. Sogar Oma Berta, Mutters Mutter also, sprang ein.
    Trotzdem zeigte mein Vater allmählich Nerven und verlor die Geduld, wenn wieder einmal keine frischen Socken zu finden waren, kein gebügeltes Hemd mehr im Schrank war oder seit Wochen niemand mehr das Bad geputzt hatte.
    Wieder einmal fühlte sich meine Mutter als Versagerin – oder doch in eine Versagerrolle hineingedrängt. Ihr Mann nörgelte an ihr herum, und ihre eigene Mutter warnte: »Wenn du dich nicht zusammenreißt, lässt er dich sitzen. Dann kannst du sehen, wo du mit deinen zwei Gören bleibst! So eine Lumpenwirtschaft lässt sich kein Mann auf Dauer bieten.«
    Dass meine Oma im Unrecht sein könnte, fiel meiner Mutter nicht ein. Sie ließ sich psychisch unter Druck setzen. Es kam ihr nicht in den Sinn, sich selbst trotz ihrer Schwächen liebenswert zu finden. Und sie konnte sich auch nicht vorstellen, dass mein Vater sie um ihrer selbst willen liebte – und nicht nur als Hausfrau. Immer öfter und immer angstvoller rechnete sie selbst sich ihre Fehler vor.
    Dass Stefan keinen Pluspunkt für meine Mutter darstellte, lag auf der Hand. Mein Vater akzeptierte ihn zwar, aber so wie mich vergötterte er ihn nicht. Er war eben nicht sein Kind. Seit meiner Geburt zeigte es sich ganz deutlich.
    Und ich? Ich war auch nicht die alle anderen Minuspunkte wiedergutmachende Superleistung geworden. Mit mir war kein Blumentopf zu gewinnen. Die Anfangsfreude war schnell in Enttäuschung umgeschlagen. Wer mich mopsrundes Faultier jetzt sah, kam nicht mehr auf die Idee, meinen Vater um die Frau zu beneiden, die ihm ein solches Prachtexemplar von Tochter geschenkt hatte.
    In meiner Mutter, die als Kind immer nur wegen

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