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Monika B - Ich bin nicht mehr eure Tochter

Monika B - Ich bin nicht mehr eure Tochter

Titel: Monika B - Ich bin nicht mehr eure Tochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Jaeckel
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auf dem Konto zu haben, für die ich bei Gelegenheit zur Kasse gebeten werden konnte.
    Merkwürdigerweise zweigten Georg oder ich nie etwas von dem Geld, das wir holten, für uns selbst ab. Heute ist mir völlig rätselhaft, warum wir, diebstahlerfahren und ausgebufft, wie wir waren, das Geld jedes Mal auf schnellstem Weg bei meiner Mutter ablieferten. Vielleicht lag es daran, dass wir schon Ärger bekamen, wenn wir sie nur, ihrer Meinung nach, etwas zu lange hatten warten lassen. Einen Handfeger, Kochlöffel oder sonstigen hilfreichen Gegenstand hatte sie dann schnell zur Hand.
    Kaum hatte meine Mutter das Geld von uns entgegengenommen, erlebten wir sogleich die wundersame Heilkraft blauer Scheine. Rasch genesen, warf meine Mutter sich in null Komma nichts in Schale und rauschte ab in die Stadt. Ob der Grabbelstand im Kaufhaus oder die exklusivste Boutique – nichts war vor ihr sicher. Das Geld wollte rollen. Rechtzeitig bevor mein Vater von der Arbeit nach Hause kam, fuhr sie dann entweder hochherrschaftlich im Taxi vor oder hetzte zu Fuß herbei. Rasch die neuen Blusen, Pullis, Röcke in die Waschmaschine, auf die Couch gesetzt – und mein Vater durfte kommen.
    Während die Waschmaschine aus neu kurzerhand alt machte, richteten wir Sklaven den Abendtisch. Oft hatte meine Mutter den Jungen etwas aus der Stadt mitgebracht, mir nie. Trotzdem dachte auch ich nicht im Entferntesten daran, sie zu verraten. Es war auf eine nie hinterfragte, selbstverständliche Weise klar für mich, mit ihr in der Schwäche solidarisch zu sein. Auch wenn ich sie für ihre Verlogenheit und Willenlosigkeit hasste – sie tat mir zugleich auch Leid, und ich hätte ein schlechtes Gewissen gehabt, sie nicht zu beschützen. Ob meine Mutter wohl jemals ein schlechtes Gewissen hatte, mich nicht beschützt zu haben?
    Gewissensbisse erlebten wir Kinder bei ihr nur regelmäßig dann, wenn ihr Kaufrausch abgeklungen war. Spätestens wenn mein Vater wieder selbst zur Bank musste und die Bescherung entdecken würde, wurde aus der mit Päckchen und Tüten beladenen Dame von Welt wieder das alte Häufchen Angst. Zitternd erwartete sie ihn. Ergeben und ohne die geringste Gegenwehr ertrug sie seine Wut, seine Schläge. Nur manchmal, wenn die Ohrfeigen allzu hart auf sie niederprasselten, schrie sie gegen das Wüten an: »Du verdammter Zuhälter! Sahnst bei mir ab und lässt mich im Regen stehen. Ich mach ein eigenes Konto auf, dann werden wir ja sehen, wer die Knete hat. Dann machst du bitte, bitte bei mir!«
    Solche Töne vertrug mein Vater absolut nicht. Sobald jemand ihm ernsthaft Widerstand leistete oder zu widersprechen wagte, brannten bei ihm alle Sicherungen durch. Mit Fäusten ging er auf seine Frau los, bis diese nicht mehr papp sagen konnte.
    Wieder einmal hatte meine Mutter Papas Unterschrift auf einem Scheck gefälscht. Und wieder einmal war sie am darauf folgenden Abend grün und blau geschlagen worden. Während mein Vater in der nahe gelegenen Kneipe seine Wut hinunterspülte, heulten wir Kinder mit meiner Mutter um die Wette. Sie tat uns so Leid mit ihrem verquollenen Gesicht und den blutend aufgeplatzten Lippen.
    Als wir nach Stunden den wohl bekannten Schritt auf der Treppe hörten, verschwanden wir drei im Kinderzimmer. Meine Mutter blieb zitternd vor Angst im Wohnzimmer sitzen. Der Schlüssel drehte sich im Schloss. Geräusche von polternd abgestreiften Schuhen, Türklappen, Wasser im Bad – mein Vater ging zu Bett. Kein Wort hatte er an meine Mutter gerichtet. Das war schlimmer als Prügel. Wenn er am nächsten Morgen mit der alten Wut im Bauch erwachte, dann gute Nacht. Ratlos schauten Georg, Boris und ich einander an. Was sollten wir tun?
    In diesem Moment huschte meine Mutter herein. »Ihr müsst mir jetzt helfen«, flüsterte sie. »Papa ist so sauer auf mich und auf euch, weil wir das mit dem Geld gemacht haben. Wir müssen uns entschuldigen. Aber auf mich hört er jetzt nicht. Habt ihr ja selbst gemerkt. Monika muss hingehen, die hat er am liebsten. Der hört er am ehesten zu.«
    »Immer Monika!«, maulte Georg. »Warum immer die? Ich kann doch auch zu ihm gehen.«
    »Oder ich«, murmelte Boris. »Ich lass mir auch gern eine reinhauen, wenn’s ihm hilft.«
    »Also gut«, seufzte meine Mutter, »dann losen wir eben aus. Ich habe hier drei Zettel mit euren Namen. Gehen muss der, dessen Name auf dem Zettel steht, der gezogen wird.«
    Jahre später gestand meine Mutter mir, dass sie den Protest meiner Brüder vorausgeahnt hatte.

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