Monk - 03
warteten, dass sie Platz nehmen konnten.
Ich wollte mich hinten platzieren, wo ich hoffentlich ein wenig dösen konnte, doch Monk bestand darauf, in der ersten Reihe zu sitzen.
»Ich will nichts verpassen«, sagte er.
»Ich will alles verpassen«, gab ich zurück.
»Dann werden Sie nichts aus Ihren Fehlern lernen.«
»Die Leute kommen nicht hierher, um etwas zu lernen, Mr Monk, sondern um ihre Strafe abzusitzen.«
»Strafe?«, fragte Monk. »Das ist doch ein Vergnügen.«
»Sie machen Witze, oder?«
»Doppelte, durchgezogene gelbe Linien, Fußgängerüberwege, Linksabbiegerspuren, Tempolimits, Ampelanlagen, klar definierte Parkzonen. Das ist doch wunderbar. Es bringt auf die vielleicht beste Weise unsere Menschlichkeit zum Ausdruck.«
Ich sah ihn ungläubig an. »Fahrbahnmarkierungen und Stoppschilder drücken für Sie das Beste im Menschen aus?«
»Sie stehen für Frieden, Ordnung und Gleichheit«, sagte er. »Wären Fußwege und Flure auch in Fahrbahnen aufgeteilt, dann würde damit das Chaos der Vergangenheit angehören.«
»Welches Chaos?«
»Haben Sie mal gesehen, wie die Leute laufen?« Mit einer Kopfbewegung deutete er auf die Passanten, die sich draußen auf der Straße tummelten. Da wäre ich auch gern gewesen, und dabei hatte die Nachschulung nicht einmal begonnen. Für mich sah das nicht nach Chaos, sondern nach Freiheit aus.
»Die Leute laufen hierhin und dorthin, aber niemand folgt mehr einer geraden Linie«, erklärte er. »Alle schlängeln sich aneinander vorbei und versuchen, mit niemandem zusammenzustoßen, einige rennen, andere schlendern. Es herrscht Anarchie. Wenn wir uns alle an vorgefertigte Bahnen halten, alle mit einer bestimmten Geschwindigkeit gehen und anzeigen müssten, wohin wir wollen, dann würde das die Gesellschaft revolutionieren. Ich wage zu behaupten, dass es zu einem weltweiten Frieden führen könnte.«
Als ich ihm in die Augen sah, glaubte ich, Tränen zu erkennen.
Eigentlich sollte dieser Tag für uns beide eine Strafe sein. Es war nicht fair, dass ich mich durch acht Stunden Unterricht quälte, während Monk sich wie im siebten Himmel fühlte. Ich verspürte den Wunsch, etwas richtig Gehässiges zu tun, zum Beispiel den Gürtel aus meiner Hose zu entfernen und ihn wieder durch die Schlaufen zu ziehen, dabei aber eine oder zwei auszulassen. Ich hätte Monk damit zum Wahnsinn treiben können, aber letzten Endes wäre ich ja doch diejenige gewesen, der er damit auf die Nerven gegangen wäre.
Ich versuchte noch immer, mir etwas zu überlegen, wie ich ihm den Tag zu der Qual machen konnte, die der Unterricht für mich bedeutete, als im hinteren Teil des Ladenlokals eine Tür aufging und unser Fahrschullehrer hereinkam. Er machte einen Eindruck, als sei er einer der Richter des Supreme Court , ein Mann Anfang fünfzig mit Tweedjackett und Fliege. Unter dem Arm trug er ein Exemplar der Straßenverkehrsordnung, als handele es sich um eine heilige Schrift.
Monk wollte aufstehen, aber ich zog ihn auf seinen Platz zurück.
Der Lehrer legte das Buch auf den Schreibtisch und wandte sich uns zu.
»Ich bin Mr Barnaby Merriman, Ihr Fahrschullehrer für den heutigen Tag. Jeder von Ihnen hat einen Verkehrsverstoß begangen, deshalb sind Sie hier. Würde es nach mir gehen, dann müssten Sie alle im Gefängnis sitzen. Aber dank der Gnade des Gerichts sitzen Sie hier in meinem Unterrichtsraum. Sie werden erst nach Hause gehen, wenn ich davon überzeugt bin, dass Sie die Verkehrsregeln nicht nur kennen , sondern auch verkörpern .«
Monk applaudierte, und Merriman warf ihm einen bösen Blick zu.
»Versuchen Sie, besonders witzig zu sein?«, fragte er.
»Nein, Sir«, antwortete Monk. »Ich bin ganz Ihrer Meinung.«
»Und warum haben Sie gegen die Verkehrsvorschriften verstoßen?«
»Das habe ich nicht gemacht«, sagte er und deutete auf mich. »Sie war's.«
»Ich bin zu schnell gefahren«, erklärte ich. »Fünfunddreißig in einer Zone, in der dreißig erlaubt sind. Sie sollten mich dafür lebenslang hinter Gitter schicken.«
Merriman sah wieder zu Monk: »Und warum sind Sie hier?«
»Um mein Wissen aufzufrischen«, antwortete er. »Es ist schon eine Weile her, seit ich die Gelegenheit hatte, mich mit den Verkehrsregeln zu beschäftigen.«
Ich dachte, Merriman würde Monk für einen Besserwisser halten und aus dem Unterricht werfen, aber das tat er nicht. Er musste wohl den ehrlich begeisterten Ausdruck in Monks Augen gesehen haben.
»Na gut«, meinte Merriman. »Aber
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