Monkeewrench 02 - Der Koeder
dritte lebte in einem Heim für Kriegsveteranen und sah sich sabbernd Fernsehcartoons an.»
Magozzi sah sie finster an und streckte die Hand nach der Weinflasche aus. Vielleicht sollte er sie betrunken machen, damit sie aufhörte, so einleuchtend zu reden.
«Versteh mich nicht falsch. Ich bin froh, dass wir helfen konnten, und diese Fälle waren ein guter Test für unsere Software. Sie halfen uns, kleine Macken zu beseitigen. Aber da draußen laufen Menschen umher, die jetzt andere umbringen, und wir sitzen hier und bearbeiten ungelöste alte Fälle, während wir doch ein Programm besitzen, mit dessen Hilfe wir vielleicht Menschenleben retten könnten.»
Magozzi sah ihr direkt in die Augen. «Ich bin Italiener. Ich bin absolut immun gegen Schuldgefühle. Du offenbar nicht.»
«Und das soll heißen?»
«Das heißt, du willst Buße tun. Du gibst dir immer noch die Schuld an den Monkeewrench-Morden.»
Grace zuckte zusammen. Monkeewrench war der Name ihrer Softwarefirma gewesen, zumindest bis er zum Mediennamen eines Killers geworden war und zum Synonym für eine Reihe sinnloser Morde, die Minneapolis im letzten Herbst fast paralysiert hatten. Seither dachten sie über einen neuen Namen nach.
«Natürlich machen wir uns Vorwürfe», sagte sie leise. «Wie anders? Aber was immer unsere Motivation war, es ist etwas Gutes dabei herausgekommen, Magozzi, und das weißt du.» Sie hielt ihm eine Schokoladenerdbeere an die Lippen und sah gebannt zu, wie er hineinbiss. Einen so intimen und offen sexuellen Moment hatte Magozzi mit Grace noch nie erlebt, und er zerstreute seine Frustrationen wie eine explodierende Schrotladung.
Fast lächelte sie wieder. «Also wirst du ab und zu nach Jackson schauen?»
Noch eine solche Erdbeere, und ich werde ihn adoptieren, dachte er, aber was er sagte, war: «Ich kann kaum glauben, dass du den armen mutterlosen Jungen verlassen willst.»
«Er hat eine sehr nette Pflegemutter. Er sagt, dass er sie immer mehr lieb gewinnt, obwohl sie weiß ist.»
«Der Bengel verehrt dich, Grace. Er ist doch jeden geschlagenen Tag hier. Vor Bindungen wie dieser kann man nicht einfach davonlaufen…» Und dann hörte er zu sprechen auf, weil er sich fragte, ob dies nicht auch der Grund für ihren Entschluss war, mit ihrer Softwarefirma auf Reisen zu gehen. Bindungen waren gefährlicher als alles andere, denn sie könnten eines Tages zu Vertrauen führen und vielleicht sogar zu Liebe, und in Grace' brutaler Vergangenheit waren es Menschen gewesen, die sie liebte und denen sie vertraute, die versucht hatten, sie umzubringen.
«Es geht doch erst in ein paar Tagen los», wollte Grace ihn ohne Erdbeere beschwichtigen. «Sie sind heute mit letzten Umbauarbeiten in unserem Wohnmobil fertig geworden, aber Harley und Roadrunner müssen noch die gesamte Elektronik einbauen.»
Magozzi leerte sein Weinglas und griff noch mal nach der Flasche. «Ein paar lausige Tage? Grace, so kurzfristig kündigt man selbst ein Arbeitsverhältnis nicht. Es geht zu schnell. Ich könnte die Verführung beschleunigen. Ich habe bisher noch nicht einmal deine Fußknöchel gesehen. Besitzt du überhaupt Fußknöchel?»
Er senkte den Blick auf ihre hohen englischen Reitstiefel, die sie seit mehr als zehn Jahren jeden Tag getragen hatte, weil es damals einen Mann gegeben hatte, der seinen Opfern die Achillessehnen durchtrennte, damit sie nicht davonlaufen konnten. «Ich komme doch wieder, Magozzi.»
«Wann?»
«Sobald ich die Stiefel ausziehen kann.»
Harley Davidson wohnte weniger als eine halbe Meile von Grace entfernt, und zwar in der einzigen Gegend in den Twin Cities, die er für einen Mann seines Reichtums und seines Geschmacks für angemessen erachtete.
Nirgends war St. Pauls Ehrfurcht vor der Vergangenheit offenkundiger als auf der renommierten Summit Avenue, einem breiten, von Bäumen gesäumten Boulevard, der sich von den Steilufern des Flusses bis an den Rand der Innenstadt hinzog.
Um die Jahrhundertwende hatten sich Industriebarone, die mit Holz, Eisenbahnen und Fabriken reich geworden waren, hier niedergelassen und auf den Klippen sowie entlang der Summit Avenue imposante Villen errichtet, wobei jeder Neuankömmling versucht hatte, den Vorgänger zu übertrumpfen. Ein Jahrhundert später waren viele dieser herrschaftlichen Häuser noch unversehrt oder liebevoll restauriert, entweder von Nachkommen, die das Vermögen der Familie nicht verschleudert hatten, von der Minnesota Historical Society oder von
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