Monkeewrench 02 - Der Koeder
die Akten offener Mordfälle in roten Schnellheftern auf, weil er diese Farbe wahrscheinlich als ebenso widerwärtig empfand wie die Verbrechen selbst. Magozzi hatte seit über vier Monaten keinen dieser Hefter auf dem Schreibtisch seines Chefs gesehen. «Die Medien würden gern erfahren, warum unsere älteren Mitbürger misshandelt und ermordet werden.»
Magozzi lehnte sich nach vorn. «Hat es tatsächlich jemand so ausgedrückt?»
«Ein Praktikant von Channel Ten.» Malcherson wedelte mit einem der rosafarbenen Zettel, auf denen Telefonanrufe notiert wurden.
Gino polterte los: «So ein Scheißdreck. Das passiert, wenn man seinen Job macht und es eine Weile keinen Mord gibt. Kaum werden dann zwei Typen in einer Nacht umgelegt, versucht irgend so ein Idiot in den Medien, die Stadt in Angst und Schrecken zu stürzen, indem er es zu einer Mordserie aufbauscht, gleich von einem Serienkiller spricht oder sich irgendwelchen Hollywood-Schwachsinn ausdenkt. Außerdem wurde nur einer von ihnen misshandelt, und das war nicht unserer: Morey Gilbert war tot, bevor er auf dem Boden landete, und außer dem einen kleinen Einschussloch waren bei ihm keine Wundmale zu sehen.»
«Es gibt also keinen Grund für den Verdacht, dass zwischen den beiden Morden ein Zusammenhang besteht?»
Magozzi zuckte mit den Achseln. «Wenn es einen gibt, können wir ihn bislang nicht sehen. Beide Opfer waren alt und wohnten in derselben Gegend. Das war's aber auch schon. Arien Fischers Name kam niemandem von der Gilbert-Familie oder deren Angestellten bekannt vor. Ebenso wenig wussten sie mit seiner Beschreibung anzufangen, und ich nehme doch an, dass die Leute sich an einen Neunzigjährigen erinnern würden, der hundertfünfzig Kilo wiegt.»
«Das Gerücht vom Serienmörder können wir also vergessen. Wir werden wegen des Gilbert-Mordes ohnehin genügend Druck bekommen. In der Zentrale sind letzte Nacht und heute Morgen über dreihundert Anrufe eingegangen.»
Magozzi zögerte. Diese Zahl war kaum zu fassen. Zwanzig Anrufe zu einem Fall reichten, um die hohen Tiere nervös zu machen, dreihundert konnten Karrieren beenden. «Zu Gilbert oder zu dem Typ an den Gleisen?»
«Der hat einen Namen», wies Malcherson ihn zurecht. «Arien Fischer. Die meisten Anrufe dazu kamen von den Medien, und ihre Zahl ist ziemlich gering im Vergleich zur Gilbert-Sache. Das ist erstaunlich, wenn man bedenkt, auf welch grauenhafte Weise Fischer ermordet wurde. Ich möchte also von Ihnen wissen, meine Herren, wer um Himmels willen dieser Morey Gilbert war.»
Gino fuchtelte mit dem gereckten Zeigefinger in der Luft herum. «Genau das habe ich gefragt, als ich gestern all diese Leute vor der Gärtnerei sah. Natürlich habe ich es ein bisschen saftiger ausgedrückt.»
«Ganz gewiss. In den Abendnachrichten gab es eine Kurzmeldung zu der Menschenmenge. Nur eine Kurzmeldung – es schien kein großes Medieninteresse an dem Mann zu bestehen, bis man recherchiert hatte. Jetzt arbeitet Channel Three an einer Dokumentation, und wissen Sie, wie der Titel lauten soll? Der heilige Gilbert von Uptown.»
Gino gluckste vor Lachen. «Das ist echt stark. Von McLaren wissen wir, dass Morey Gilbert ihn in die Mangel genommen hat, wieso Juden nicht heilig gesprochen werden können, und jetzt das. Ausgerechnet dieses Etikett verpassen sie dem Juden, der so eine Frage gestellt hat, und er weilt nicht mehr unter uns, um das zu genießen.»
«Ich bin mir ganz sicher, dass es sich hierbei um eine weltliche Ernennung handelt, definitiv keine katholische, aber ob wahr oder Wunschtraum, das Police Department von Minneapolis darf nicht zulassen, dass Heilige ermordet werden. Das war der Tenor der meisten Anrufe. Ehrlich gesagt fand ich es ein wenig peinlich, nichts über einen Mann zu wissen, der so viel für seine Mitmenschen getan hat. Zumal er auch noch der Schwiegervater eines Kollegen von uns war.»
Gino rutschte auf seinem Stuhl nach vorn und faltete die Hände über dem Bauch. «Na ja, Marty Pullman hat nie viel geredet. Hielt sich sehr bedeckt, was sein Familienleben betraf. Aber soweit wir bis jetzt gehört haben, ist Morey Gilbert die Wohltätigkeit in Person gewesen. Hat mehr Leuten geholfen, als man zählen kann, und wenn das nicht dem Leben eines Heiligen entspricht, weiß ich nicht, wie so ein Leben sonst aussehen soll. Das Problem ist nur, es macht ihn nicht gerade zu einem favorisierten Mordopfer.»
Malcherson richtete den Blick auf Gino. «Ich habe das
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