Monkeewrench 02 - Der Koeder
Es hörte sich an wie… etwas Größeres.
Jemand ist da draußen.
Rose erkannte es an den Zeichen, die man nie beachtete, bis es zu spät war: den kleinen Härchen, die sich auf ihrem Nacken sträubten, der Gänsehaut, die sich über ihre schlaffen alten Arme ausbreitete. Und als das tiefe Grollen, das Puff hören ließ, in der Tonhöhe anstieg, wusste sie…
… Jemand ist da draußen, auf der anderen Seite der Fensterscheibe, und sieht zu mir herein.
Langsam drehte sie den Kopf, ganz langsam, und dann erblickte sie in der Dunkelheit vor ihrem Fenster ein Augenpaar, das zu ihr hereinsah.
Es folgte ein kurzer Augenblick, in dem ihr vegetatives Nervensystem angemessen reagierte – das Herz setzte einen Schlag lang aus, hämmerte gleich darauf wie wild, das Blut raste vom Kopf in die Beine, indem es dem uralten Fluchtinstinkt gehorchte. Ihr Gesicht fühlte sich kalt und klamm an. Aber kaum hatte es begonnen, war es auch schon vorüber, und Rose wandte den Blick wieder dem tonlosen Fernsehschirm zu. Sie saß ganz still da und wartete darauf, aus diesem schlimmen Traum zu erwachen.
Es ist kein Traum.
Das Rascheln hörte auf, und ein paar Minuten später, als sie endlich den Mut aufbrachte, sich erneut umzudrehen, war niemand vor ihrem Fenster zu sehen.
Sie hielt die Luft an, bis ihre Lungen beinahe platzten, und allmählich kam sie sich auch ein wenig albern vor, weil es wohl wirklich nur ein Traum gewesen war. Der Verstand spielt einem in der Dämmerwelt zwischen Schlaf und Wachzustand gern üble Streiche. Besonders wenn es ein gealterter Verstand ist.
Und dann rappelte die Vordertür in ihrem Rahmen, und Rose fing so stark zu zittern an, dass sie fürchtete, ihre alten Knochen würden splittern wie Glas.
Ruf die Polizei.
Sie griff nach dem Telefon auf dem Tisch neben sich, aber ihre Hand funktionierte nicht wie gewünscht, nein, ganz und gar nicht, sie konnte dagegen nichts ausrichten, sondern musste hilflos mit ansehen, wie das nutzlose Anhängsel krampfte und fuchtelte und zuckte und schließlich das Telefon zu Boden warf.
Der Lärm an der Vordertür hörte irgendwann auf, aber die Stille war noch schlimmer, denn Rose litt grässliche Angst, vielleicht vergessen zu haben, die Hintertür abzuschließen, und sogar noch größere Angst, aufzustehen und nachzuschauen.
Sie saß wie gelähmt auf dem Sofa, eine erbarmenswürdige alte Frau, die sich vorgaukelte, wenn sie sich still verhielte, wenn sie nicht atmete, würde, was auch immer ihr drohte, einfach vorübergehen. Im nächsten Moment hörte sie, wie hinten die Fliegentür geöffnet wurde und mit einem Klicken wieder zuschlug. Noch immer konnte sie sich nicht bewegen.
Die schwere Innentür schloss sich und nahm dem Zimmer ein wenig Luft.
Rose machte keine Anstalten, sich umzudrehen, damit sie ihn sah. Daher trat er in ihr Blickfeld und wartete darauf, dass sie seinen Blick erwiderte. Als das geschah, zog er eine große Waffe aus seiner Jackentasche und zielte auf sie.
Oh, Gott. Es würde nicht an ihr vorübergehen. Diesmal würde es sie umbringen.
In diesem furchtbaren Augenblick der Erkenntnis wurde sie wieder jung und stark und furchtlos, und sie schwang sich in genau dem Sekundenbruchteil in die Höhe, als die Kugel die Mündung verließ. So verdarb sie ihm den Todesschuss. Feuer brannte sich in ihren Bauch statt in ihr Herz, und Rose sah hinunter auf die rote Knospe, die vorn auf dem Alte-Damen-Kleidchen erblühte.
«Verdammt», sagte er und schoss ein zweites Mal auf sie.
KAPITEL 10
Chief Malcherson war einer dieser hoch gewachsenen, stattlichen Männer schwedischer Abstammung mit dichtem weißem Haar. Er hatte eisblaue Augen, die ihn bösartig wirken ließen, und dazu ein melancholisches Hundegesicht. So ähnlich wie ein mordlustiger Basset. Heute Morgen trug er Nadelstreifen – für ihn ein Ausflug in gewagtere Modegefilde.
«Ich mag den Anzug», verkündete Gino und ließ sich auf einen Stuhl neben Magozzi fallen. Der warf ihm einen warnenden Blick zu, aber Gino schaltete nicht. «Hat den gewissen Pfiff. Richtung Mafia-Look.»
Malcherson, der gerade sein Jackett ausziehen wollte, hielt in der Bewegung inne und schloss die Augen. «Nicht gerade das Image, das ich im Sinn hatte, Rolseth.»
«Ich hab's doch nur positiv gemeint.»
«Gerade das macht mir ja Angst.» Malcherson nahm hinter seinem Schreibtisch Platz und tippte mit einem manikürten Finger auf den Stapel hellroter Schnellhefter. Dieser erzkonservative Mann bewahrte
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