Monkeewrench 02 - Der Koeder
Väter und Söhne streiten sich. Das kommt vor. Also halten sie sich lange genug voneinander fern, bis die dummen Sachen vergessen sind, die sie gesagt haben, als sie wütend waren, und damit ist es getan. Nur war es diesmal nicht so. Diesmal schickte Jack uns ein Foto mit der Post, und auf dem Foto sind kleine Mädchen in weißen Kleidern zu sehen und kleine Jungs in Anzügen, und mittendrin befindet sich der große Schmock höchstpersönlich, und allesamt knien sie vor einem Kreuz, an dem dieser arme tote Jude hängt.»
Marty blinzelte sie an und fragte sich, ob dieser letzte Drink endgültig sein Hirn aufgeweicht hatte, denn irgendwas war ihm zweifellos entgangen. «Wovon redest du? Was für ein Bild?»
Lily ignorierte seine Frage. «Unten auf dem Foto steht zu lesen: Jack Gilbert, Erste Kommunion, und dann der Name irgendeiner lutheranischen Kirche.»
«Was? Jack ist konvertiert? »
Sie nippte an ihrem Scotch und sagte nichts.
«Das ergibt keinen Sinn. Jack hat nicht einmal an Gott geglaubt.»
Lily sah ihn an, als sei er ein Idiot. «Das hatte nichts mit Gott zu tun. Es ging Jack einzig und allein darum, uns einen Schlag ins Gesicht zu versetzen und seiner Familie den Rücken zu kehren, nur weil er einen dummen Streit mit seinem Vater hatte. Zwei Wochen später bekommen wir dann ein Hochzeitsfoto. Derselbe Ort, dasselbe Kreuz, ein größeres Mädchen in einem größeren weißen Kleid. Noch ein Schlag ins Gesicht, und der Feigling benutzte dazu Fotos.»
Marty fuhr sich mit den Fingern durchs Haar, als könne er dadurch eine untätige Gehirnzelle stimulieren, ihm dabei behilflich zu sein, zu verstehen, was er gerade gehört hatte. Jack hatte seine Unzulänglichkeiten, und es waren nicht wenige, aber Marty hatte nie den Eindruck gehabt, dass er jemandem absichtlich wehtun konnte, am allerwenigsten seinen Eltern. Außerdem wollte es ihm nicht einleuchten, dass Jack Lily dafür bestrafen wollte, dass er sich mit Morey gestritten hatte. «Ich kann das nicht glauben.»
«Wäre auch eine Riesenüberraschung. Ich versuche es seit mehr als einem Jahr und krieg's nicht in den Kopf.»
«Du hättest Jack zur Rede stellen sollen.»
«Ich habe es dir doch gesagt: Jack wollte nicht mit mir sprechen. Morey wollte nicht mit mir sprechen. Ihr Männer, ihr veranstaltet diesen Unsinn, und wir Frauen leiden darunter und erfahren nie den Grund.»
Marty beobachtete, wie sie aus ihrem Glas trank, und war nach all den Jahren immer noch töricht genug, im Gesicht der alten Frau auch nur die Spur einer Emotion entdecken zu wollen. Er wusste, dass in ihr zweifellos Gefühle schlummerten, aber er wusste auch, dass er sie nie zu sehen bekommen würde. Sollte Lily Gilbert jemals zu weinen anfangen, würde sie wahrscheinlich nie wieder aufhören können.
«Okay, ich werde mit dem kleinen Mistkerl reden», sagte er.
«Gut.»
«Und es tut mir leid, dass er dich so verletzt hat.»
«Und diese ganze Zeit bin ich die Böse. Übrigens hat Sol heute Abend angerufen, als du das Gewächshaus zugemacht hast. Weißt du, dass du einer der Sargträger bist?»
«Ich weiß.»
Sie lächelte verhalten. «Morey hat sich seinen Sarg schon vor Jahren ausgesucht. Er ging immer ins Beerdigungsinstitut, um mit Sol Poker zu spielen, und eines Tages kommt er nach Hause und sagt: .»
Marty schmunzelte, denn das klang wahrhaftig nach Morey. «Ich wusste gar nicht, dass er Poker spielte.»
«Er spielte nur mit Sol, weil er gegen ihn gewinnen konnte. Und manchmal noch mit diesem Individuum Ben.»
«Wer ist Ben?»
«Ein Niemand.»
«Du kannst ihn nicht leiden?»
«Ein Blödmann ist das. Ein echter Stinker.»
«Und Morey mochte ihn?»
Lily zuckte die Achseln. «Du kennst doch Morey. Er war ein hoffnungsloser Fall. Er mochte jeden, ob der's nun verdiente oder nicht. Außerdem kannten sie sich schon seit ewigen Zeiten.»
«Komisch, dass ich ihn nie kennen gelernt habe.»
«So nahe standen sie sich auch wieder nicht. Meistens gingen sie angeln. Zwei-, dreimal im Jahr, und ab und zu eine Pokerrunde.»
Marty drehte den Kopf sehr langsam, um sie anzusehen. «Morey ging angeln?»
«Natürlich tat er das – stell den Ton an. Schnell.» Sie rutschte vor, um die Füße auf den Boden zu setzen. Dann stützte sie die
Weitere Kostenlose Bücher