Monkeewrench - 03 - Mortifer
Spiegel. Kein Wasserkäfer, der über die Oberfläche huschte, kein Frosch, der am Ufer quakte, keine Grille, die vor ihrer Höhle zirpte. Es gab keinerlei nächtliche Geräusche, es herrschte Totenstille.
Grace, Annie und Sharon blieben noch eine ganze Weile reglos in ihrem Versteck, nachdem die Geräusche der letzten Jeeps verklungen waren. Sie knieten im Wasser wie drei durchnässte Büßerinnen.
Annies Nase fing an zu jucken. Waren die Soldaten wirklich weg? Wenn sie die Hand hob, um sich zu kratzen und dabei einige Tropfen auf die Wasseroberfläche fielen – würden ein Dutzend Männer aus ihren Verstecken springen und das Feuer eröffnen?
Langsam, behutsam hob sie die linke Hand aus dem Wasser zum Gesicht. Sie war mit dickem, zähem, gut haftendem Schlamm bedeckt. Zaghaft kratzte Annie sich an der Nase, und niemand schoss auf sie. »Können wir jetzt aus dem Wasser?« Es war ein gehauchtes Flüstern, mehr nicht.
Grace zuckte unter Wasser die Schultern. Winzige Wellen liefen von ihr weg. »Vorsichtig«, flüsterte sie zurück.
Annie erhob sich unsicher von den Knien. Wasser floss von ihrem ruinierten Kleid, und sie presste die Augen fest zusammen, als sich der Kadaver hinter ihr bewegte. »Hier liegt eine tote Kuh.« Sie wich einen Schritt zur Seite, damit die anderen es sehen konnten.
»Gütiger Gott!«, flüsterte Sharon und starrte die Tierleiche an. Sie sah ganz friedlich aus; nur ein Teil des Bauches ragte aus dem Wasser wie ein schwarz-weiß gescheckter Felsen. »Hier sind also alle Tiere gelandet. Sie haben sie in den See geworfen.«
Eilig wateten die drei Frauen zwischen dem Schilf hindurch auf das flache, schlammige Ufer. Wasser troff aus ihrer Kleidung und bildete große Pfützen zu ihren Füßen. Sharon und Annie sanken zu Boden wie Blüten, deren gebrochene Stängel von schwerem Regen niedergepeitscht worden waren. Grace hielt sich noch einen Augenblick länger aufrecht, kerzengerade und still, vollkommen reglos im Gegensatz zu ihren Augen, die sich sehr flink bewegten. Schließlich atmete sie tief durch, und Annie wusste, dass wirklich niemand mehr in der Nähe war.
»Das ist es, was hier passiert ist«, sagte Grace. »Sie haben irgendein Gas in irgendwelchen Lastern transportiert, irgendwas ging schief, und eine ganze Ortschaft wurde ausgerottet.«
»Ach du lieber Himmel!« Es war das erste Mal, dass Grace echte Panik in Annies Stimme hörte. »Also haben wir in einem See voller toter Tiere gesessen, die an irgendwelchem Giftgas zugrunde gegangen sind?«
Grace setzte sich neben sie, hob ein durchnässtes Stück Seide von ihrem Hals und legte es ihr über die Schulter, wo es hingehörte. »Es ist schon eine Weile her. Die Soldaten waren nicht unruhig oder ängstlich, also müssen wir uns auch keine Sorgen mehr machen. Was auch immer es war, es hat sich auf die eine oder andere Weise verflüchtigt.«
»Dann muss ich mich nicht ausziehen und nach Ekzemen suchen?«
Grace schüttelte den Kopf. »Ich glaube nicht, dass wir irgendwelche Hautprobleme bekommen. Es war kein chemisches Gift. Es war Nervengas.«
Sharon starrte sie an. »Woher willst du das wissen?«
»Chemische Wirkstoffe sind korrosiv. Nach dem, was ich vom Kadaver der toten Kuh gesehen habe, war er sauber. Und auch der Hundekadaver im Haus war sauber.«
Annie überlegte einen Moment, dann atmete sie aus und nickte. Sie war zufrieden mit Grace’ Erklärung, völlig zufrieden, und Sharon fragte sich, wo zur Hölle sie gelernt hatte, sich so schnell zu entspannen. Sie erschauderte, umschlang ihre Knie und spürte, wie ringsum ihre sorgsam konstruierte Welt in Scherben ging. Plötzlich erschien ihr das, was sie sich als Beruf ausgewählt hatte – einen Killer nach dem anderen zu analysieren und zu profilieren und dabei vielleicht das eine oder andere Menschenleben zu retten –, das, was sie immer für so wichtig gehalten hatte, geradezu unbedeutend. Während sie so damit beschäftigt gewesen war, einen einzelnen Serienmörder über sämtliche Staatsgrenzen hinweg aufzuspüren, hatte sich praktisch in ihrem Hinterhof ein Massenmord ereignet. »Gott im Himmel, ich glaube das einfach nicht! Nervengas? Das hier ist Wisconsin, um alles in der Welt, nicht der Nahe Osten. Woher zur Hölle sollten sie denn Nervengas gehabt haben?«
Annie tätschelte ihr das Knie. »Offen gestanden, Wisconsin ist ziemlich ideal, um an Nervengas zu gelangen. Die Hauptbestandteile finden sich auf jeder Farm im Mittelwesten, und die Anleitungen zur
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