Monkeewrench 06 - Todesnaehe
bevorstand: bewaffnet durch den Wald zu schleichen und sich gegen böse Menschen zu verteidigen, die nichts anderes im Sinn hatten, als den Waldboden mit ihren Innereien zu verzieren. Doch das unbehagliche, nervöse Gelächter erstarb rasch wieder, und sie konzentrierten sich schweigend auf ihre Aufgabe.
Der Chief steckte Magozzi und Gino in Tarnkleidung aus dem jagdhütteneigenen Schrank und führte sie zu einem Baum, der kaum fünfzig Meter von der Eingangstür der Hütte entfernt stand. Noch ehe sie drei Schritte von der Veranda weg waren, fror Gino wie ein Schneider. Und als der Chief vor einem Baumstamm stehen blieb, der, wie Gino später erfuhr, zu einer fünfzigjährigen Eiche gehörte, spürte er sein Gesicht nicht mehr. Aus dem Eisregen war zwar schon vor einiger Zeit Schneefall geworden, doch ein leichter Wind senkte die gefühlte Temperatur auf ein Level, das deutlich jenseits von Ginos persönlicher Schmerzgrenze lag.
Er hatte gewisse Vorstellungen davon, wie ein Ausguck in einem Baum auszusehen hatte, und soweit er das überblicken konnte, gab es in diesem Baum nichts dergleichen. Nur eine Art Leiterattrappe mit hauchdünnen, kaum mehr als vier Zentimeter breiten Sprossen, die in die Äste hinaufführte. Nie im Leben konnten diese winzigen Holzstäbchen das Gewicht eines ausgewachsenen Mannes tragen! Gino ließ seinen Blick an der Leiter entlang nach oben wandern, immer weiter und weiter in die Höhe, bis ihm die Kapuze seines Tarnanoraks vom Kopf glitt und sein Haupt den Schneeflocken preisgab.
Ach du Scheiße
, dachte er, als er endlich das halbfertige Baumhaus entdeckte, das aussah wie von ein paar schwachsinnigen Pfadfindern ohne jedes Gefühl für Schwerkraft und Mindestgewicht konstruiert. Das verdammte Ding befand sich mindestens sechs Meter über dem Boden, und es hatte nicht mal ein Geländer! Magozzi kraxelte bereits wie ein Affe das Leiterimitat hinauf, beide Waffen über der Schulter. Doch Gino blieb einfach unten stehen, die Beine fest auf den Erdboden gestemmt, und schüttelte nachdrücklich den Kopf. Da spürte er, wie der Chief ihn näher an den Baumstamm schob, und gleich darauf packten ihn zwei große Hände am Hintern und drängten ihn nach oben.
«Na, kommen Sie, Detective. Wow! So ein Arsch ist mir ja nicht mehr untergekommen, seit ich mich selbst mal versehentlich im Klappspiegel gesehen habe.»
Gino warf ihm einen bösen Blick zu. «Wir sollen nicht reden, aber Sie dürfen blöde Witze über meine empfindlichsten Stellen reißen, oder was?»
Der Chief grinste zu ihm hinauf. «Manchmal ist es eben stärker als ich. Das ist eine ganz normale Leiter, Rolseth. Nehmen Sie einfach eine Sprosse nach der anderen, bis Sie oben sind.»
Magozzi lag bäuchlings auf dem vereisten Boden des Ausgucks und sah über den Rand hinweg zu, wie Gino schwankend zu ihm heraufkletterte. Der Mann hatte einfach ein Problem mit Höhen. Zu Hause stellte er seine Kinder an, um die Dachrinne zu säubern, und als er damals mit Angela in das Haus gezogen war, hatte er die Wände nur bis zur halben Höhe gestrichen, weil er sich auf keine Leiter traute. Schließlich hatte Angela, damals im siebten Monat schwanger mit dem Unfall, den Rest übernommen. «Gleich hast du’s geschafft, Kumpel», flüsterte er und streckte eine Hand nach Ginos Anorak aus, um ihn das letzte Stück nach oben zu ziehen.
Gino blieb kurz platt auf dem Bauch liegen, dann drehte er sich auf den Rücken. «Gib mir mal so ein Gewehr, damit ich dich abknallen kann, du Wichser. Erst das Flugzeug und jetzt auch noch das. Seit wir aus der City Hall raus sind, hast du es auf mein Leben abgesehen.»
«Bleib auf dem Bauch liegen, sonst plumpst du mir noch über den Rand wie eine riesige Billardkugel.»
Von unten zischte der Chief herauf, sie sollten gefälligst den Mund halten, dann verschwand er zwischen den Bäumen.
KAPITEL 48
M oose war fünfzehn Jahre jünger und vierzig Kilo leichter gewesen, als er zum letzten Mal einem zweibeinigen Lebewesen im Nahkampf gegenübergestanden hatte, doch seine Augen waren immer noch gut, und er hatte sich seine alten Fähigkeiten bewahrt. Viele magere Jahre hindurch hatte er die Familie mit Jagen durchgefüttert, und auch heute noch war es für ihn Ehrensache, einen Großteil des Jahres im Wald zu verbringen. Für ihn war die Jagd kein Sport. Sie war ein Ritual, eine heilige Tradition, die sich aus dem Respekt vor den Tieren speiste, die der Schöpfer seinem Volk geschenkt hatte.
In den letzten Jahren
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