Monsieur Papon oder ein Dorf steht kopf
mit ihrem Ärmel, für den Fall, dass dies die Ursache von Jacques Unmut sein sollte. »Jedenfalls wird die Auberge wiedereröffnet, und das Restaurant kann nur besser werden als das letzte.«
»Ha! Das glaubst auch nur du«, verkündete Véronique und spielte ihre Trumpfkarte aus. »Die neuen Besitzer sind nämlich ENGLÄNDER!«
Fatima taumelte nach hinten und griff dabei unwillkürlich nach der Glasvitrine, um sich daran festzuhalten. Aber sie kam ohne einen Rüffel davon, denn Josette konnte sie gar nicht zurechtweisen, da ihr der Mund offen stand. – Die Auberge war an Engländer verkauft worden. Wie sollte sich die Gemeinde jemals davon erholen?
Merde , merde und nochmals merde . Serge Papon ließ seine von Arthritis geplagte Hand ein weiteres Mal auf das Lenkrad herabsausen, was den Wagen gefährliche Schlenker auf der schmalen Straße vollführen ließ, die von Fogas nach La Rivière führte. Mit dem Können, das er sich infolge seiner häufigen Wutanfälle und noch häufigeren Alkoholfahrten angeeignet hatte, riss Serge das Lenkrad herum und steuerte den Wagen Richtung Berghang, bevor er über den Rand rutschen und in die Schlucht darunter stürzen würde.
Irgendjemand musste dafür bezahlen, so viel war sicher. Er hatte Gerard Loubet im letzten halben Jahr umgarnt, um sicherzustellen, dass das Gebot seines Schwagers für die Auberge akzeptiert werden würde. Er hatte dem alten Fuchs in der Überzeugung, dass die Auberge so gut wie ihm gehörte, sogar die Gemeindesteuer erlassen. Und jetzt war Loubet hingegangen und hatte sie einfach vor seiner Nase verkauft und sich am Mittelmeer zur Ruhe gesetzt. Aber was noch viel schlimmer war: Er hatte sie an einen Engländer verkauft.
Pah!
Schäumend vor Wut über diese Unverfrorenheit lenkte Serge den Wagen mit weniger Geschick als üblich um dieromanische Kirche, die den Ortseingang von La Rivière kennzeichnete, und wäre in der engen Kurve beinahe an der Mauer entlanggeschrammt.
Aufgrund seiner Lage am Berührungspunkt der beiden Täler, die sich von den Bergdörfern Fogas und Picarets erstreckten, war La Rivière das Bindeglied der Gemeinde von Fogas. Über die Jahre hatte es in dem uralten Streit um die Macht des Öfteren als Friedensstifter zwischen den beiden Dörfern fungiert, was wahrscheinlich damit zusammenhing, dass man, um von einer Seite der Gemeinde zur anderen zu gelangen, hinunter nach La Rivière und auf der anderen Seite wieder hoch musste. Aber in der Stimmung, in der sich Serge Papon gerade befand, wäre mehr als nur geographische Diplomatie vonnöten gewesen, damit er sich wieder beruhigte.
Das Postamt, das nach den morgendlichen Geschäftsstunden geschlossen war, kam in Sicht, und Serge knirschte im Vorbeifahren mit den Zähnen. Die Postmeisterin Véronique Estaque hatte zweifellos keine Zeit verloren, über ihn zu klatschen, und wahrscheinlich lachte bereits die ganze Gemeinde über ihn. Außerdem musste er die Nachricht auch noch seiner Schwester beibringen, eine Vorstellung, die ihn nicht im Entferntesten begeisterte.
Serges Finger krampften sich fester um das Lenkrad, und er schob seinen knolligen Kopf Richtung Windschutzscheibe.
Er würde es ihnen allen zeigen. Er war als Bürgermeister von Fogas mit all der Macht seines gewählten Amtes ausgestattet, und er würde nicht zögern, diese Macht auch auszuüben.
Er lenkte den Wagen mit Schwung um die letzte Kurve und stieg beim Vorfahrtschild auf die Bremse. Als er nach links schaute, fiel sein Blick auf das in der leichten Briseschwingende Metallschild an dem Gebäude weiter unten an der Straße.
Auberge des Deux Vallées .
Serge Papon blickte finster drein, als hätte ihn das Gebäude selbst irgendwie beleidigt. Er wandte sich mit einem Knurren wieder der Hauptstraße zu und brummelte beim Weiterfahren vor sich hin.
Irgendjemand würde dafür bezahlen.
Die Atmosphäre der Schockstarre, die nach Véroniques Enthüllung immer noch das dämmerige Innere der Épicerie erfüllte, wurde durch die Geräusche von herumspritzendem Schotter gestört, der gegen das Fenster prallte, als draußen ein Wagen jäh abbremste.
Josette war die Erste, die reagierte.
»Das ist der Bürgermeister!«, zischte sie und wedelte mit ihren Händen in Richtung der beiden Frauen, mit denen sie getratscht hatte. Die beiden sprangen sogleich auseinander. Véronique entdeckte ganz plötzlich ihr Interesse an der Käsevitrine, in der halbe Laibe Rogallais und Bethmale lagerten, während sich Fatima in die
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