Monster
inspizierte das untere Fach. Unter seinem knapp sitzenden Tweedjackett zeichneten sich deutlich die Konturen seines Dienstrevolvers ab.
»Die Verbindung zwischen Ciaire und Peake hat keine Rolle gespielt?«, fragte ich.
Er schüttelte den Kopf, fischte sich die Mayonnaise, den Senf und eine Packung Corned Beef, deren Existenz ich schon vergessen hatte, und nahm sich ein paar Scheiben Roggenbrot aus der Brotkiste. Noch im Stehen machte er sich ein Sandwich, das reichlich labberig aussah, bevor er sich setzte und einen Halbkreis herausbiss.
»>Wilde Spekulationen<, hieß es andauernd«, sagte er. »Und >psychotisches Gestamme<. Sie meinten alle, im besten Falle würde Peake einen entscheidenden Zeugen abgeben - wenn überhaupt -, andererseits sei es höchst fragwürdig, dass sein geistiger Zustand irgendwelche substanziellen Äußerungen erwarten lässt, sodass die gesamte Argumentation wieder in sich zusammenfällt.«
Ein weiterer Sandwichbissen verschwand in seinem Mund. »Was Warks Konto bei der Bank of America angeht, habe ich auch nichts erreicht. Eine fiktive Person, die nur theoretisch und das auch nur über einige Ecken mit einem Mord in Verbindung steht, der acht Monate zurückliegt, schafft auch keine Beweislage, wegen der man sich ein Bein ausreißen müsste.«
»Mama«, sagte ich, »wenn ich groß bin, will ich Polizist werden.«
Ich erntete ein überaus finsteres Grinsen. »Und jetzt die guten Neuigkeiten: Wendeil Pelley steht nicht mehr auf der Liste der Verdächtigen. Jedenfalls nicht, was die Beatty-Brüder angeht. Er ist nämlich tot. Und zwar schon seit mehr als einer Woche - schon vor dem Tschu tschu bäng bäng<. Seine Leiche ist vor sechs Tagen auf einer Müllkippe des Bezirks Lennox aufgetaucht. Einer der Beamten des Sheriffs hat zufällig das Rundschreiben gelesen, das ich rausgeschickt hatte, und sich daraufhin bei mir gemeldet. Die Müllkippe ist gut organisiert, insofern ließ sich ziemlich genau feststellen, mit welchem Transport Pelley angeliefert wurde. Steckte in einem Container, der hinter einer Großreinigung stand. Das Ding ist drei Tage bevor er entdeckt wurde eingesammelt worden, aber der Madenbefall lässt vermuten, dass er möglicherweise schon eine Weile dringelegen hatte. An der Leiche gab’s keine Anzeichen von Gewalteinwirkung. Sieht so aus, als wäre Pelley in dem Müllcontainer eingeschlafen und mit dem Abfall zusammen weggekarrt worden.«
»Ist er zerquetscht worden?«
»Nein, sie haben ihn bemerkt, bevor es in die Müllpresse ging - beziehungsweise das, was noch von ihm übrig war. Die Todesursache war extremer Flüssigkeits- und Nährstoffmangel. Der Mistkerl hat sich regelrecht zu Tode gehungert. Ich habe daraufhin den Koreaner angerufen, der das Wohnheim leitet, und er meinte: »Stimmt, Pelley hat kaum was gegessen, bevor er abgehauen ist.< Höchstens 55 Kilo hätte er gewogen, aber nein, alarmierend hätte er das nicht gefunden, Pelley hätte ja keine Probleme verursacht.«
»Wo wir gerade beim Thema Selbstbestrafung sind«, sagte ich. »Ist Pelley den ganzen Weg von Ramparts bis Lennox zu Fuß gelaufen?«
»Vermutlich ist er durch die Gassen und Seitenstraßen von einigen weniger schönen Gegenden geschlichen, bis er seine letzte Ruhestätte gefunden hat. Da hat er sich dann hingekuschelt und ist gestorben.«
»Und es gibt nicht das geringste Anzeichen von Fremdeinwirkung?«
»Nichts, Alex. Das Ganze ist als Selbstmord abgeheftet worden. Ich habe den Bericht gelesen, und es gibt nichts daran auszusetzen. Austrocknung, Cachexie, niedriger Hämoglobinspiegel und irgendwas mit seinen Leberwerten, aus dem sich ablesen ließ, dass er schon eine geraume Zeit keine richtige Nahrung mehr zu sich genommen hat. Keinerlei Wunden, keine gebrochenen Knochen; seine Halswirbel waren intakt, ebenso der Schädel. Die einzigen Verletzungen, die er hatte, rührten von dem Madenfraß her.«
Er betrachtete das, was von seinem Sandwich noch übrig war, zögerte einen Moment und schlang es dann doch hinunter. Er wischte sich den Mund ab und nahm sich ein Bier.
»Stell dir das mal vor, Alex, da fühlt sich einer so elend, dass er sich selbst auf den Müll schmeißt.«
»Für Ciaire kommt er immer noch in Frage.«
»Wenn ich nachweisen könnte, dass er und Ciaire sich jemals über den Weg gelaufen sind, vielleicht. Aber jetzt, wo er tot ist? Außerdem hat meine Begeisterung für ihn angesichts der Tatsache, dass er weder für Dada noch für die Beattys in Frage kommt,
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