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Monster

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Titel: Monster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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so schnell, dass der Abstand zwischen ihm und uns immer größer wurde. Die Anstaltsinsassen starrten uns an. Hätte einer von ihnen uns von hinten attackiert, wäre Dollard nicht die geringste Hilfe gewesen.
    Drei Pfleger standen auf dem Hof Wache. Zwei Latinos und ein stämmiger Schwarzer - und keiner hatte auch nur die geringste Ähnlichkeit mit Derrick Crimmins.
    Dollard schloss das hintere Tor auf, und wir gingen auf das Hauptgebäude zu. Statt hineinzugehen, blieb er kurz vor der Tür stehen und rasselte mit seinem Schlüsselbund.
    »Mr. Swig können Sie nicht sprechen. Der ist nicht da.«
    »Wo ist er?«, sagte Milo.
    »Geschäftlich unterwegs. Er hat gesagt, Sie können eine Viertelstunde in die Gruppe für Fertigkeiten des Alltagslebens. Das ist alles.«
    »Danke für Ihre Zeit, Frank«, sagte Milo eine Spur zu milde. »Entschuldigung, dass wir Ihnen so auf die Nerven gehen.«
    Dollard blinzelte und steckte den Schlüsselbund in die Tasche. Er sah zurück auf den Hof und biss geräuschvoll die Zähne zusammen. »Diese Typen sind wie dressierte Tiere. Man darf das Reiz-Reaktions-Schema nicht überstrapazieren. Wenn Sie hier auftauchen, stellt das einen Störfaktor dar. Abgesehen davon, es ist ohnehin sinnlos. Denn es war ja wohl sowieso klar: Niemand von hier hatte irgendwas mit Dr. Argent zu tun.«
    »Weil niemand hier rauskommt?«
    »Unter anderem deshalb.«
    »Wendeil Pelley ist aber rausgekommen.«
    Wieder blinzelte Dollard, und seine Zunge schob sich hinter die Unterlippe. »Und was soll uns das sagen?«
    »Ein Irrer wird aus der Klapse entlassen, und ein paar Wochen später ist einer von seinen Seelenklempnern tot.«
    »Dr. Argent war keine von Pelleys Seelenklempnern. Ich glaube nicht mal, dass sie sich überhaupt je begegnet sind.«
    »Warum wurde Pelley entlassen?«
    »Da müssen Sie die Ärzte fragen.«
    »Sie haben nicht die geringste Ahnung, Frank?«
    »Ich werde nicht dafür bezahlt, Ahnungen zu haben.«
    »Das haben Sie auch schon beim ersten Mal gesagt, als wir hier waren«, sagte Milo. »Und wir wissen beide, dass das Scheiße ist. Was hat Pelley angestellt, damit er rauskam?«
    Selbst unter seiner ledrigen Haut war zu erkennen, wie Dollard rot anlief. Er zog die Schultern hoch und stieß plötzlich ein Lachen aus. »Es ging eher darum, was er bleiben ließ. Nämlich sich verrückt aufzuführen. Und das schon eine ganze Weile lang.«
    »Ein medizinisches Wunder?«, sagte Milo.
    »Wenn Sie meine Meinung wissen wollen, der Kerl war überhaupt nicht psychotisch, sondern nur ein Säufer. Ich will nicht sagen, er hat sie alle reingelegt. Die Leute, die ihn noch aus der Zeit kannten, als er hier eingeliefert wurde, sagen, er war völlig weg vom Fenster - hat halluziniert, Tobsuchtsanfälle gehabt und so weiter. Sie mussten ihn sogar in die Zwangsjacke stecken. Aber nach etwa einem oder zwei Monaten hat sich das alles gelegt. Und zwar ohne Medikamente. Also meiner Meinung nach waren das eher die Folgen des Alkohols, und nach der Entgiftungsphase war alles vorbei.«
    »Und warum wurde ihm dann nicht noch mal der Prozess gemacht?«
    »Weil damals, als er verhaftet wurde, noch die Regelung wegen verminderter Schuldfähigkeit in Kraft war. Und damit war er aus dem Schneider.«
    »Glück gehabt«, sagte Milo.
    »So viel Glück auch wieder nicht. Immerhin hat er hier über zwanzig Jahre abgerissen. Länger, als er im Gefängnis zugebracht hätte. Vielleicht war’s auch nicht nur Alkohol. Pelley hatte jahrelang unter Tage gearbeitet, gut möglich, dass er irgendeine Schwermetallvergiftung hatte. Oder es war nur eine kurzfristige geistige Verwirrung, er ist ausgerastet und hat sich im Lauf der Zeit wieder erholt. Egal, was es war, er hat jedenfalls nie Neuroleptika bekommen, weil es nicht nötig war. Nur Antidepressiva. Und so hat er dann jahrelang hier rumgehangen, keinerlei Symptome gezeigt, bis die oben wohl gedacht haben, was das noch länger soll.«
    »Antidepressiva«, sagte Milo. »War er ein Trauerkloß?«
    »Wieso dieses plötzliche Interesse an ihm? Hat er draußen Probleme gemacht?«
    »Nur sich selber, Frank. Er hat sich zu Tode gehungert.«
    Dollards Mundwinkel zuckten einen Augenblick lang. »Er war nie ein großer Esser … Wo ist er denn gefunden worden?«
    »Auf einer Müllkippe.«
    »Ich will ja nicht auf die Tränendrüse drücken, aber er war wirklich kein schlechter Kerl. Zumindest, wenn ich mich mit ihm unterhalten habe, hat er den Eindruck gemacht, als würde es ihm wirklich Leid tun,

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