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Monster (German Edition)

Monster (German Edition)

Titel: Monster (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Benjamin Maack
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gesagt, ich solle darauf achtgeben, dass Margarita hier auch ja alles ordentlich macht. Aber das haben sie ihr bestimmt auch gesteckt.
     
    »Der Kamin hat einen Fehler. Besser nicht benutzen. Aus Jerusalem, K&S«
    In den ersten Wochen kamen ständig diese Karten an.
    »Vorsicht mit dem Fernseher. Er ist kompliziert. Aus Neu-Delhi, K&S«
    »Im Keller funktioniert die Flurbeleuchtung nicht. Nichts anfassen. Es liegt nicht an der Glühbirne. Das macht ein Handwerker. Aus Bangkok, K&S«
    »Schließen sie abends wirklich alle Fenster und Rollos. Aus Peking, K&S«
    »Schließen Sie abends wirklich wirklich immer alle Fenster und Rollos? Aus Peking, K&S«
    Fast jeden Morgen lagen diese Karten im Briefkasten. Manchmal zwei an einem Tag. Es waren diese »By night«-Postkarten. Pechschwarze Rechtecke. »London by night«, »Moscow by night«, »Beijing by night«. Keine Ahnung, warum die nicht einfach E-Mails geschickt haben. Dann hörte es auf. Einfach so. Dafür kann es alle möglichen Gründe geben. Vielleicht sind sie alles losgeworden. Vielleicht haben sie gemerkt, dass ihr Postkartenhumor ganz schön bekloppt ist. Vielleicht sind die beiden auch irgendwo verloren gegangen. Abgestürzt mit einer kleinen Propellermaschine. In irgendeinem Dschungel. Mit zerfetzten Kleidern und gespaltenen Fingernägeln. Allein. Verängstigt. Verloren.
     
    Ich harke den Garten. Ich beginne damit, mit dem Rechen das Laub auf dem Rasen zusammenzukehren. Genau genommen ist es nicht viel Laub mitten im Sommer. Nur einige gelbe und karamellfarbene Blätter. Sie stammen von einem merkwürdig aussehenden Bäumchen.
    »Der Baum im Garten ist krank. Nichts versuchen. Herr Clausen kommt. Aus Hongkong, K&S«
    Auf dem Küchentisch liegt eine lange Liste mit Namen. Neben »Herr Clausen« steht »Gartenarchitekt«. Herr Clausen kümmert sich also um den Garten. Herr Nowak ist für die Einbaugeräte in Küche und Wäschekammer verantwortlich, Herr Spoerl für den Computer im Arbeitszimmer, Herr Pannek für Fernseher und Satellitenschüssel. Herrn Schneider von der Versicherung soll ich anrufen, wenn ein Missgeschick passiert. Herr Weber ist der Tierarzt.
    Ich nehme das Laub und stopfe es mit den dafür vorgesehenen Gartenarbeitshandschuhen an den Händen in die dafür vorgesehenen kompostierbaren Plastiksäcke. Dann kommen die Beete dran.
    »Sollten Sie sich bei manchen Pflanzen nicht sicher sein, ob sie Unkraut sind: Stehen lassen! Aus Melbourne, K&S«
    Ich arbeite auf Knien. Zuerst zupfe ich die toten Blätter aus den Büschen, Blumen und Farnen, dann wühle ich mit einem Handgrubber, dessen Stiel aus demselben Tropenholz besteht wie der des Rechens, Laub und Unkraut zwischen den Pflanzen aus der dunklen Erde.
    Abends gucke ich auf dem riesigen Flachbildschirm im Wohnzimmer Satellitenfernsehen. Neben dem Fernseher liegt eine laminierte Bedienungsanleitung. Eigentlich schaue ich mir gar nichts an. Die Satellitenanlage empfängt mehr als achthundert Programme. Ich zappe nur einmal durch alle Sender und schaue, was das All mir auf den Bildschirm schickt. Draußen bellt ein Hund so lange, dass er klingt wie eine Maschine.
     
    Am nächsten Morgen wache ich früh auf. Nur in Unterhose gehe ich in den Garten, um mir mein gestriges Werk anzusehen. Sauber gestutzte Rasenkanten, die Beete in gleichmäßigen Wellen geharkt, alle Ausreißer an den Büschen mit einer winzigen Gartenschere zurückgestutzt. Und dazwischen ich. Nur der Baum stört das Bild. Er ist ein merkwürdig verwachsenes Gebilde. Der Stamm voller Knicke, als hätte er Probleme gehabt, sich zu entscheiden, wohin er wachsen will. Seine Rinde glänzt seiden, ist aber trotzdem voller tiefer Furchen, wie bei einem uralten Baum. Über Nacht hat er wieder ein paar von seinen Blättern auf den Rasen fallen lassen, und ich merke, wie ich das persönlich nehme. Er trägt lilafarbene Knospen, die an den kahlen Ästen albern aussehen. Er ist kaum schulterhoch, sein Stamm dünner als mein Unterarm. Es wäre leicht, kurzen Prozess zu machen.
     
    Von Raum zu Raum gehe ich durch die leeren Zimmer. Ich öffne Schränke und schaue unter Betten und hinter Türen. Ich prüfe die fremden Gerüche in jedem Zimmer, merke mir die Geräusche der verschiedenen Böden. Dann schiebe ich den Sicherheitsriegel der Haustür vor, lasse die Rollos herunter, schalte die Alarmanlage an, lege mich auf das klebrig-kalte Ledersofa und horche, wann Margarita kommt. Als sie wieder weg ist, warte ich auf den Abend.
     
    Nach einer

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