Monströse Welten 2: Hobbs Land
egal, wo er sich befindet.«
»Wenn ich bisher keinen Grund hatte, mitzukommen – nun habe ich einen«, sagte Sam, wobei er fand, daß dies eine angemessene Rolle für ihn war. »Ein junges Mädchen sollte nicht allein reisen.« Jedenfalls nicht zu Männern wie Mugal Pye, der ihm genauso unsympathisch gewesen war wie Maire. »Angenommen, wir erreichen Jeps Freilassung. Was dann? Erwartet man vielleicht von dir, daß du nach Voorstod zurückkehrst und singst? Womöglich sollst du aus irgendeinem symbolischen Anlaß singen. Die alte Maire Manone, Liebliche Sängerin und so weiter.« Er lächelte ihr aufmunternd zu.
»Natürlich verfolgen sie eine bestimmte Absicht«, sagte sie. »Sie haben Jep entführt, weil er nach ihren Maßstäben mein Enkel ist; also haben sie es eindeutig auf mich abgesehen.« Sie wandte sich ab; ihr Sohn sollte nicht die Tränen auf ihrem Gesicht sehen. In einem Land, in dem die Kinder dazu angehalten wurden, anderen Leuten nur so zum Spaß Schmerzen zuzufügen, mußte man auch als Frau mit solchen ›Aufmerksamkeiten‹ rechnen. Sie wußte zwar nicht, was man von ihr wollte, aber sie wußte zumindest, daß es auf die eine oder andere Art schmerzlich für sie werden würde. Dennoch hätte sie nicht mit dem Bewußtsein leben können, daß Jep wegen ihr zu Schaden gekommen wäre. »Ich habe Angst«, sagte sie, wobei sie sich insgeheim wünschte, daß er sie in den Arm nahm. Bisher war sie noch von keinem Mann umarmt worden; aber auf ihre alten Tage würde ihr Sohn sie doch sicher einmal in den Arm nehmen.
Aber Sam hatte sie noch nie in den Arm genommen und dachte auch jetzt nicht daran. »Aber du weißt doch gar nicht, was sie wollen, Mam«, sagte er, wobei er versuchte, der Angelegenheit etwas von ihrer Dramatik zu nehmen. »Vielleicht ist es etwas ganz Harmloses.«
»Ja, das habe ich mir auch schon einzureden versucht«, erwiderte sie. »Darin habe ich reichlich Übung.« Im Grunde hatte sie sich ständig etwas vorgemacht. Wir Frauen haben schon immer Illusionen gehabt, sagte sie sich. Wir heiraten, und dann erweist die Ehe sich als die Hölle. Wir hoffen, daß sie mit dem Trinken aufhören, aber sie hören nicht auf. Wir hoffen, daß sie aufhören, die Kinder und uns zu schlagen, aber sie tun es nicht. Wir hoffen, daß sie das Töten beenden, aber sie haben überhaupt keine Veranlassung, damit aufzuhören. Weshalb sollten sie auch, wenn sie in der Taverne mit ihren Heldentaten prahlen können. Sie brüsten sich mit ihrer Stärke und Intelligenz und bilden sich noch etwas darauf ein, daß sie Schwächere besiegt haben. Kein Mann ist ihnen gewachsen. Keine Frau ist ihnen genug. Und überhaupt ist ihnen alles andere egal, solange sie nur in Treue zur Sache stehen. Und dennoch halten wir Frauen an der Hoffnung fest, daß es vielleicht ganz harmlos ist.
Sams Stimme riß sie aus ihren Gedanken. »Vielleicht sollst du auch zurückkommen, weil sie schon zu viele Frauen verloren haben.« Diese Erkenntnis war ihm soeben gekommen. »Ja, das wäre möglich. Du sollst die anderen Frauen zur Heimkehr auffordern.«
»Ja, vielleicht.« Sie nickte und ließ sich das durch den Kopf gehen. »Vielleicht ist das der Grund, Sammy. Vielleicht haben sie nicht mehr genug Frauen, die ihnen Söhne für die Sache gebären. Mugal Pye und seine Kumpane glauben anscheinend, ich könne die Ereignisse von damals umkehren und die Frauen zurücksingen. Nun, sie bekommen nur das von mir, was ich zu geben habe, Sammy. Aber was deine Anwesenheit dort bewirken könnte, weiß ich wirklich nicht.«
Sam wußte es auch nicht, aber trotzdem brannte er darauf, nach Voorstod zu reisen.
* * *
Tags darauf traf Samstag sich in der ersten Periode der Tagschicht mit Gotoit und Willum R. am Tempel.
»Ihr wißt, was zu tun ist«, sagte sie. »Die Vorderseite des Tempels muß noch getüncht werden.«
»Ich weiß«, sagte Gotoit. »Keine Sorge, Sams. Willum und ich werden uns darum kümmern.«
»Und versorgt den Gott regelmäßig mit ferfs«, sagte Samstag, wobei sie sich das Gehirn mit der Frage zermarterte, was sonst noch zu tun sei. »Lucky weiß Bescheid.«
»Seit einiger Zeit sprechen sie«, sagte Willum R. »Die Katzen.«
»Sie sprechen?!«
»Nun, es ist keine Sprache in unserem Sinn. Dazu fehlen ihnen die anatomischen Voraussetzungen. Aber sie haben eine Art Katzensprache entwickelt. Wenn man sich konzentriert, versteht man doch vieles davon.«
Samstag glaubte schon, Willum R. hätte nicht mehr alle Tassen im Schrank;
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