Monstrum House 1 - Haus des Grauens
verkrampfte und sich wie eine Kugel aus Stein anfühlte. Sein Magen wusste Bescheid. Sein Magen wusste immer Bescheid, wenn er in Schwierigkeiten geriet. Zum Beispiel, wenn er und seine Schwestern von anderen Schülern gemobbt wurden. Oder immer dann, wenn Direktoren das Wort „Schulverweis“ aussprachen. Auch jetzt meldete sich sein Magen wieder. Und die Botschaft war nicht ermutigend.
„Das ist nicht gut. Das ist gar nicht gut“, murmelte Jasper vor sich hin.
Jetzt konnten sie Monstrum House direkt vor sich sehen. „Ist doch ein tolles Gebäude, oder?“, bemerkte seine Mutter mit gezwungener Fröhlichkeit.
Vor ihnen lag ein riesiges altes Schloss, dessen Türme in den Himmel ragten. Oben auf den Türmen wehten Fahnen, die Fensterscheiben glitzerten im Sonnenlicht. „Jedenfalls ist das für dich mal eine Abwechslung zu unserer Wohnung“, sagte sie. „Sieht doch aus wie ein echtes Märchenschloss.“
Jasper antwortete nicht. Er wusste sehr gut, dass Märchen nicht wahr waren. Die Schule sah zwar beeindruckend aus, strahlte aber auch etwas Bedrohliches aus. Als sie das eiserne Eingangstor mit dem Schulwappen oben drauf passiert hatten, fühlte sich Jasper wie in einer Falle. Ein eiskalter Schauter lief ihm den Rücken hinunter.
„Wird schon nicht so schlimm“, sagte seine Mutter. „Hier geht es vielleicht ein bisschen streng zu, aber du wirst eine Menge neuer Dinge lernen. Dinge, von denen du bis jetzt noch nicht mal geträumt hast. Und – wer weiß – vielleicht wirst du das alles sogar richtig toll finden. Vielleicht willst du ja sogar länger bleiben.“
Bestimmt nicht , dachte Jasper. Eine Militärschule war alles andere als ein Spaß. Aber um Spaß, vermutete er, ging es hier ja gerade nicht.
Der Wagen hielt an und durch das Fenster warf Jasper einen erneuten Blick auf das Schloss. „An meinem nächsten Geburtstag reicht mir auch ein Buch“, bemerkte er trocken.
Seine Mutter musste lächeln. Jasper hätte fast die Krise bekommen, als er hörte, dass sein erster Schultag in Monstrum House ausgerechnet auf seinen dreizehnten Geburtstag fallen würde.
„Wenigstens sieht die Schuluniform cool aus, das musst du zugeben“, sagte seine Mutter.
Jasper machte sich nicht die Mühe, ihr zu erklären, dass nichts, was seine Mutter cool finden würde, wirklich cool sein konnte. Aber er musste ihr recht geben – es war die beste Uniform, die er bisher getragen hatte.
„Schwarze Trainingshosen und braune Kapuzen-Pullis!“, lobte seine Mutter. „Besser geht’s nicht.“ Sie beugte sich zu ihm hinüber und umarmte ihn lange zum Abschied. „In einem Jahr sehen wir uns. Du wirst deinen Schwestern und mir fehlen! Versuch zu schreiben, sooft du kannst.“
Jasper nickte und gab ihr die Karte, die er für sie gemacht hatte. Sie hatte häufig schmerzende Füße, also hatte er auf der Vorderseite ein Bild von ihr gezeichnet, wie sie gerade ein Fußbad nahm.
„Oh Jasper, du weißt gar nicht, was für eine Freude du mir damit machst“, sagte sie und ihre Augen wurden feucht. Sie war wirklich komisch heute. „Sei ein guter Junge. Versprichst du mir das?“ fragte sie mit zittriger Stimme.
Jasper zwang sich zu einem Lächeln, schnappte sich seinen Rucksack und stieg aus. Seine Mutter weinen zu sehen, machte ihn ganz krank. „Keine Sorge, ich bin immer ein guter Junge“, sagte er aufmunternd und winkte ihr zu.
„Vertrau mir“, lächelte sie unter Tränen, „das wird für dich ein … Abenteuer. Aber, bitte , sei vorsichtig“, fügte sie hinzu und sah ihm fest in die Augen.
Sobald sie ihn nicht mehr sehen konnte, hörte er auf zu lächeln. Schönes Abenteuer , dachte er.
Wieder krampfte sich sein Magen zusammen. Dabei war er überhaupt nicht aufgeregt. Nach so vielen Schulwechseln machte ihm der erste Tag an einer neuen Schule nicht mehr viel aus.
Aber sein Magen sandte ihm ganz klar eine Botschaft – diese Schule war anders.
Jasper ging in Richtung Schloss – zu dem Platz, an dem sich die neuen Schüler versammelt hatten. Obwohl es mitten im Schuljahr war, gab es eine Menge neuer Schüler. Sie versuchten alle ganz gelassen zu wirken, als ob ihnen ihr neues Zuhause gar nichts ausmachte. Aber so richtig glücklich sah keiner von ihnen aus.
Eine Lehrerin und ein Lehrer standen bei den Neuankömmlingen. Die Lehrerin unterhielt sich mit den Schülern. Sie sah ganz normal aus – nicht so, wie Jasper sie in einer Militärschule erwartet hätte. Der Lehrer schwieg. Er trug eine
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