Monstrum House 1 - Haus des Grauens
den Schneewolken über ihnen würde er wohl kein Glück haben. Hinzu kam noch die vielleicht nicht ganz unbedeutende Tatsache, dass er vom Sternenhimmel eigentlich keine Ahnung hatte.
„Wie kann man von einer Schule abhauen, wenn man keine Ahnung hat, wohin man abhauen soll?“, murmelte Jasper vor sich hin.
Saffy musste grinsen. „Mich hat noch keine Schule geschafft“, sagte sie selbstbewusst. „In meiner letzten Schule nannten mich die anderen Houdini – so wie diesen Entfesslungskünstler.“
Jasper war schon aufgefallen, wie Saffy das Gelände mit sorgfältigen Blicken begutachtet hatte. Und ihm fiel wieder ein, wie sie im ersten Monstrum House die Karte des Schulgeländes betrachtet hatte. Überlegte sie sich einen Fluchtplan? Er jedenfalls tat das. In seinem Gedächtnis hatte er bereits den Wald, mögliche Schwachstellen des Geländes und alle Details, die sich als nützlich erweisen könnten, gespeichert.
Saffy nickte zuversichtlich. „Gib mir eine Woche. Dann bin ich weg von hier.“
„Ruhe dahinten!“, befahl einer der älteren Schüler. Jasper und Saffy verstummten. Hinter dem Rücken des Jungen äffte Jasper einen Militärgruß nach. Saffy konnte sich ein Lachen nicht verkneifen.
Sofort drehte sich der Junge wieder um und starrte beide an. Saffy hüstelte wenig überzeugend. „Trockener Hals“, erklärte sie.
Der Junge grinste abfällig, sprach etwas in sein Sprechfunkgerät und ging dann weiter.
Sie betraten das Schloss durch die großen Holztüren, genau so, wie sie das schon im ersten Monstrum House getan hatten. Ihre Schritte hallten von den gleichen kalten Steinfußböden wider. Auch die Marmortreppe war da, mit exakt dem gleichen verschlissenen Teppich, der von oben bis ganz zur untersten Stufe reichte. Aber die Gemälde waren anders. Anstelle der strengen Generäle, die auf sie herabgestarrt hatten, waren hier düstere Schlachtenszenen dargestellt. Unterhalb der Gemäldestand eine Reihe von Kinderstatuen, deren Gesichter abgrundtiefes Entsetzen ausdrückten. Auf einer Marmortafel darüber standen die Worte:
Möge sie niemand vergessen
Wie aufmunternd ist das denn ?, dachte Jasper. Echt abgedreht!
Er spähte einen langen Korridor hinunter und sah ein paar ältere Schüler zwischen den Klassenzimmern entlanggehen. Wie die Neuen trugen sie Trainingshosen und Kapuzen-Pullis. Allerdings war die Farbe ihrer Pullis anders, nicht so dunkel. Sie sahen eindeutig freundlicher aus als die Jungs, die neben ihnen hermarschierten.
„Glaubst du auch, dass diese Jungs Aufsichtsschüler oder so was sind?“, wisperte Saffy Jasper zu und deutete auf ihre muskulösen Begleiter.
„Scheint so. Aber sie sehen eher aus wie Verwandte von Hulk“, flüsterte Jasper zurück. Er stellte sich vor, wie sich die Haut der Aufsichtsschüler grün verfärbte und ihre Rippen die Anzüge sprengten. Es juckte ihn in den Fingern, sie zu zeichnen. Er dachte an sein Zimmer zu Hause, wo alle Wände mit seinen selbst gemachten Comics bedeckt waren. Da fiel ihm ein, dass er seinen Rucksack mit dem Skizzenblock nicht mehr hatte. Sie hatten ja alles im Flugzeug zurücklassen müssen.
„Persönliche Sachen sind nicht erlaubt“, sagte ein Lehrer, der gerade vorbeikam. Jasper fragte sich, ob er schon anfing, laut vor sich hin zu sprechen.
„Das ist unfair!“, sagte Sally aufgebracht. „Ich hatte das allerneuste Kickboxen-Magazin in meinem Rucksack. Hat zehn Kröten gekostet!“
Der Lehrer beachtete sie nicht und ging weiter.
Die neuen Schüler wurden in die Mitte einer großen, leeren Halle geführt. Am Kopfende hing ein riesiges Wappen. Zum ersten Mal entdeckte Jasper das große Netz in dessen Mitte. Kein Wunder, dass ich mich hier wie gefangen fühle , dachte er.
Eine große, hagere Frau im grauen Anzug schritt die Reihen der neuen Schüler entlang. Ihr Haar erstrahlte im weißesten Weiß, das Jasper je gesehen hatte. Sie trug es in einer Art Irokesenschnitt. Ihre scharfen, kantigen Gesichtszüge erinnerten Jasper an einen Nussknacker. Sie sah wie jemand aus, mit dem man sich besser nicht anlegt. Auf ihrem Namensschild stand „Stenka“.
Sie ging zwischen den Schülern hindurch und verteilte hellgrüne Kittel. Auf jedem Kittel war vorne und hinten der Nachname eines Schülers in goldenen Buchstaben aufgestickt. Obwohl sie gerade erst angekommen waren, schien Stenka genau zu wissen, wem welcher Kittel gehörte.
„Diese Kittel müssen in der ersten Woche eurer Anwesenheit hier getragen werden“, sagte sie
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