Montags sind die Eichhörnchen traurig: Roman (German Edition)
sie, verdrehen Sie ihr den Kopf, und dann entreißen Sie ihr die magischen Zahlen …«
Chaval verzog zweifelnd das Gesicht.
Henriette wurde wütend.
»Was glauben Sie denn, was ich mit dem alten Grobz gemacht habe? Ich habe mich auch nicht geschont, mein guter Chaval. Niemand hat Erfolg, ohne sich die Hände schmutzig zu machen! Ich verlange wirklich nicht viel von Ihnen, nur diese Zugangscodes, und danach können Sie sie meinetwegen zum Teufel jagen. Denken Sie sich irgendeinen an den Haaren herbeigezogenen tugendhaften Vorwand aus. Den wird sie schon schlucken, sie ist ohnehin glücklich genug, dass Sie sie für ein paar Augenblicke ihrem tristen Altejungferndasein entrissen haben … Jetzt hat sie etwas, woran sie sich immer zurückerinnern kann! Sie haben damit sogar noch eine gute Tat vollbracht. Aber Sie hören mir ja gar nicht zu, Chaval, Sie hören mir nicht zu. Woran denken Sie, während ich mit Ihnen rede?«
»An die Trompete …«
Chaval log. Er dachte daran, dass es vielleicht noch einen anderen Weg gab, wieder auf die Beine zu kommen. Seit er Marcel Grobz’ Firma betreten hatte, witterte er Morgenluft. Der Alte baute ab. Er schaffte die Arbeit nicht mehr allein. Er brauchte frisches Blut, einen schwungvollen, reisefreudigen Manager, der neue Ideen und Projekte aufspürte und sie mit Zahlen untermauerte. Und er, Chaval, zog es allemal vor, sich in Geschäfte zu stürzen als in das weiche, schlaffe Fleisch der Trompete. Es war nur eine Ahnung, noch keine Gewissheit. Aber bald würde er Klarheit haben … Während er sich in den Büros herumgetrieben hatte, war ihm zu Ohren gekommen, dass Casamia auf der Suche nach neuen Produkten war, die in den Katalog aufgenommen werden sollten. Man musste innovativ sein und unablässig seine Produktpalette erweitern. Die Konkurrenz mithilfe von Rabatten, Neuentdeckungen, frischen Angeboten schlagen. Er musste sich wieder unentbehrlich machen. Wie? Das wusste er noch nicht. Aber wenn er Marcel Grobz ein fix und fertig durchgeplantes Projekt auf den Schreibtisch legen könnte, würde dieser ihn unter Umständen wieder einstellen.
Hauptsache, Josiane bekam nichts davon mit. Josiane hatte ein Händchen für das Aufspüren von Innovationen, das hatte sie schon häufig unter Beweis gestellt. Und jedes Mal hatte er sich die Idee unter den Nagel gerissen, sie als seine eigene ausgegeben und die Bonuszahlung und das Lob des Chefs eingestrichen. Falls sie jemals Wind davon bekommen sollte, dass er sich in der Firma herumtrieb, würde sie ihren geliebten Brummbären warnen … Statt die Trompete auszuschalten, sollte er lieber Josianes Misstrauen einschläfern. Sie anrufen, ihr einen Waffenstillstand anbieten, sie einlullen …
Verrückt, wie kompliziert sein Leben geworden war, seit er auf Henriettes Deal eingegangen war. Er wusste nicht mehr, wo ihm der Kopf stand. Jeden Abend plagte ihn Migräne. Seine Mutter musste ihm einen speziellen Tee machen und rieb ihm die Schläfen mit Tiger Balm ein.
»Chaval!«, donnerte Henriette und knallte ihr Knie so fest unter die Tischplatte, dass der ganze Tisch hüpfte. Er konnte gerade noch rechtzeitig seinen Minzsirup auffangen. »Sie antworten nicht! Ich spüre seit einer Weile, dass Sie mir etwas verheimlichen … Darf ich Sie daran erinnern, dass ich in einem Gespräch mit Marcel Grobz durchblicken lassen könnte, dass Sie ein widerlicher alter Lüstling sind, der mit Hortense geschlafen hat? Davon hat dieser naive Tropf garantiert nicht die leiseste Ahnung! Ich bin mir sicher, dass er Sie dann mit anderen Augen sehen würde, und dann ließe er Sie bestimmt nicht mehr in seinen Büros herumstreunen … Es wäre ein Leichtes für mich, das Gift des Zweifels in seine Adern zu träufeln.«
Verwundert hielt sie inne.
»Jetzt rede ich ja schon selbst wie in diesen Groschenromanen! Diese hirnlose Prosa ist ansteckend … Aber sehen Sie sich vor, ich habe Sie in der Hand, und ich würde nicht davor zurückschrecken, Ihnen zu schaden …«
Chaval bekam es mit der Angst zu tun. Natürlich würde sie das nicht. Und wenn er sich entscheiden musste, entweder die Trompete flachzulegen oder von dieser boshaften alten Elster verpfiffen zu werden, dann nähme er die Trompete.
Aber er zögerte …
Schließlich war ja auch beides möglich.
Einen Sonnenuntergang auf Montmartre, um die Trompete zu betören, an ihrem Ohrläppchen knabbern und dabei an Hortenses festen Hintern denken, Denise die Zugangscodes entlocken und sich anschließend
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