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Montags sind die Eichhörnchen traurig: Roman (German Edition)

Montags sind die Eichhörnchen traurig: Roman (German Edition)

Titel: Montags sind die Eichhörnchen traurig: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Pancol
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sich fremd in diesem Klein-Algier. Isoliert, geächtet, all ihrer Zukunftspläne beraubt, stürzte sie sich in kitschige Liebesromane und erträumte sich eine Welt aus Prinzen, Prinzessinnen und verhinderter Liebe. Atemlos las sie nachts mit einer Taschenlampe unter der Decke. Das half ihr, ihr Schicksal und den Niedergang ihrer Familie zu ertragen.
    Denn der Skandal hatte auch Clermont-Ferrand erreicht. Die Familien ihres Vaters und ihrer Mutter brachen den Kontakt zu ihnen ab. Sie hatte weder Großvater noch Großmutter, weder Tanten noch Onkel, weder Cousins noch Cousinen mehr. Allein zu Weihnachten, allein in den großen Ferien. Unter ihren Decken verkrochen, während ihre Eltern die Türen verbarrikadierten, falls die »Ausländer« sie angreifen sollten …
    Sie legte das Abitur ab und machte eine Ausbildung zur Buchhalterin, die sie als Beste abschloss. Den Kopf immer tief über die Zahlen oder die abenteuerlichen Schicksale ihrer Lieblingshelden gebeugt.
    Ihre erste Stelle bekam sie in einem Büro in der Avenue de l’Opéra. Ihr Vater schöpfte neue Hoffnung. Avenue de l’Opéra, das ist ein gutes Viertel. Das Geschäftsviertel. Er malte sich aus, wie sich ein junger, dynamischer Manager in seine Tochter verlieben würde. »Ein gutes Viertel«, wiederholte ihre Mutter nickend. Sie würden ihren Laden in der Rue de Pali-Kao verkaufen, näher ans Stadtzentrum heranziehen und ein wenig von ihrem früheren Ansehen wiedererlangen.
    Sonntagnachmittag gingen sie zu dritt auf dem Friedhof Père-Lachaise spazieren und lasen von den Grabsteinen das Leben jener illustren Unglücklichen ab, die dort begraben lagen. Siehst du, wir sind nicht die Einzigen, die zu Unrecht gelitten haben, sagte ihr Vater oft, auch wir werden eines Tages gerächt werden. Ich hoffe nur, das geschieht noch vor unserem Tod, entgegnete Madame Trompet schüchtern.
    Doch das Grab kam schneller als die Rehabilitierung.
    Kein Mann warf ein Auge auf Denise oder bat um ihre Hand. Jeden Morgen ging sie zur Arbeit, nahm die Métro an der Station Couronnes, schlug ihren Roman auf und tauchte ein in fesselnde Abenteuer. Kam abends nach Hause, ohne dass sich auch nur der Hauch einer Romanze angebahnt hätte. Ihr Vater verlor die Hoffnung. Ihre Mutter schüttelte den Kopf. Wenn sie doch nur meine Schönheit geerbt hätte, dachte sie, den Blick auf ihre Tochter gerichtet, dann ginge es uns längst wieder besser … Mit der Metzgerei konnten wir noch hoffen, sie unter die Haube zu bringen, aber ohne einen Franc in der Tasche wird sie niemand haben wollen. Und wir werden hier niemals wegkommen.
    Madame Trompet sollte recht behalten.
    Denise Trompet blieb unverheiratet und verlor im Laufe der Jahre auch noch das bisschen Glanz, das ihr die Jugend verliehen hatte. Ihre Eltern starben, als sie zweiundvierzig Jahre alt war, und sie blieb allein in der Rue de Pali-Kao zurück, von wo aus sie jeden Morgen an der Station Couronnes die Métro nahm.
    Sie hatte die Stelle gewechselt. Hatte bei Casamia angefangen. So konnte sie ohne umzusteigen mit der Linie 2 durchfahren und sich ganz in ihr Buch versenken. Ihr Leben bestand aus zwei Hälften: auf der einen Seite die aufregenden Abenteuer ihrer Helden, die Schlösser, Himmelbetten und leidenschaftlichen Vereinigungen und auf der anderen ein Taschenrechner, Listen, Tabellen mit trockenen, grauen Zahlen. Manchmal dachte sie bei sich, dass sie zwei Leben habe: eines in Farbe auf der großen Leinwand und eines in Schwarz-Weiß.
    Und sie wusste nicht mehr genau, welches davon das echte war.
    »Na? Und?«, fragte Henriette und klopfte unter dem Tisch des Cafés, in dem sie sich häufig trafen, um die Fortschritte ihres gemeinsamen Projekts zu besprechen, ungeduldig mit dem Absatz auf den Boden. »Wie weit sind Sie mit der Trompete?«
    »Es geht voran, es geht voran …«, brummte Chaval ohne große Begeisterung.
    »Meine Güte! So lange, wie Sie sich schon an sie heranmachen, sollten Sie sie längst in Ihr Bett geschleift und um den Verstand gevögelt haben!«
    »Sie motiviert mich nicht besonders …«
    »Denken Sie nicht an sie! Denken Sie an das Geld! An die kleine Hortense, an ihren festen, runden Hintern, ihre hohen Brüste …«
    »Madame Grobz! Wie reden Sie denn über Ihre Enkelin?«
    »Mir bleibt ja gar nichts anderes übrig, wenn sie sich wie eine Dirne aufführt … Laster zieht Laster nach sich …«
    »Haben Sie Neuigkeiten von ihr?«, fragte Chaval, der den Köder geschluckt hatte.
    »Natürlich habe ich das!

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