Montags sind die Eichhörnchen traurig: Roman (German Edition)
seine Leutnantsstreifen zurückholen, indem er Marcel Grobz ein interessantes Projekt anbot.
Die Migräne grollte hinter seinen Schläfen.
Er sah auf die Uhr, es war erst halb drei. Zu früh, um nach Hause zu fahren und sich hinzulegen.
WQRX FM , 105,9, Classical Music, New York. The weather today, mostly clear in the morning, partly cloudy this afternoon, a few showers tonight, temperature around 60°F …
Acht Uhr. Der Radiowecker riss ihn aus dem Schlaf, und er warf den Arm zur Seite, um ihn auszuschalten. Öffnete die Augen. Sagte sich, wie jeden Morgen, ich bin in Manhattan, ich wohne in der 74th Street West, zwischen Amsterdam und Columbus, ich wurde an der Juilliard School aufgenommen, und ich bin der glücklichste Mensch der Welt …
Der Traum, den er in der Küche seiner Londoner Wohnung skizziert hatte, war Wirklichkeit geworden. Die Bewerbungsunterlagen, die er an die Juilliard School, 60 Lincoln Center Plaza, New York, NY 10023-6588, geschickt hatte, waren berücksichtigt, die CD , die er aufgenommen hatte – eine Fuge und ein Präludium aus Bachs Wohltemperiertem Klavier –, gehört und für gut befunden worden.
Er hatte in der großen Aula ein Vorspiel absolviert, das Andante aus der Fünften Sinfonie von Beethoven. Er wusste, dass seine Bewerbung ausgewählt worden war und er gute Chancen hatte, an der Schule angenommen zu werden, wenn er diese letzte Hürde überwand.
Und er war angenommen worden.
Im kommenden September würde er die erste Klasse der berühmten Juilliard School besuchen. Imagine yourself , hieß es in der Schulbroschüre, motivated, innovative, disciplined, energetic, sophisticated, joyous, creative … Er würde alles auf einmal sein. Motiviert, einfallsreich, diszipliniert, energisch, kultiviert, fröhlich und kreativ. Fröhlich!
Er machte draußen auf der Straße Luftsprünge. Ich bin angenommen worden, Leute, ich bin angenommen worden! Hi, guys! I’m in, I’m in! Ich, Gary Ward, ich traue meinen Augen nicht, ich traue meinen Fingern nicht, ich traue meinem armen Kopf nicht! Ich bin tatsächlich angenommen worden!
Start spreading the news … I want to be a part of it, New York, New York! If I can make it there, I’ll make it anywhere!
Er war zur Levain Bakery gerannt und hatte sich das üppigste Frühstück seines Lebens gegönnt. Er wollte alles essen, was auf der Karte stand. Die cookies , die crispy pizzas , die sweat breads , die große Stadt und das große Leben. Er wollte die ganze Welt umarmen, den Fremden, die ihm entgegenkamen, verkünden, dass er jetzt ein seriöser Student war, ein Pianist, der bald berühmt sein würde, ein Künstler, mit dem zu rechnen war …
Start spreading the news …
Nachdem er die Zusage bekommen hatte, hatte ihm eine ältere Studentin die Schule gezeigt. Sie hatte ihm erklärt, wie die Juilliard School aufgebaut war und was man dort alles studieren konnte. Er war sprachlos gewesen. Es gab dort Kurse für alles, absolut alles. Theater, Ballett, Comedy, klassische Musik, Jazz, moderner Tanz, alle Bühnenkünste wurden dort unterrichtet, und es herrschte ein ständiges Summen wie in einem glücklichen Bienenkorb. In kleinen, sich wie Waben entlang der Flure aufreihenden Räumen spielten Studenten Klavier, Harfe, Kontrabass, Klarinette oder Geige, andere quälten sich in schwarzen Strumpfhosen an der Ballettstange, wieder andere mühten sich beim Stepptanz. Er hörte, wie Tenöre ihre Stimme in die Höhe schwangen, abrutschten, sich wieder fingen, er hörte Schauspielstudenten Verse deklamieren, Bogen über die Saiten knirschen, Fersen und Spitzen auf dem Holzboden klappern, er hatte das Gefühl, in einem riesigen Universum zu stehen, das sang, tanzte, improvisierte, liebte, litt, wieder von vorn begann …
Und er würde Teil dieses Universums sein …
I want to be a part of it! New York! New York!
Er erinnerte sich daran, mit welcher Angst er in New York angekommen war. Allein. Ganz allein. Hortense war nicht zum Flughafen gekommen. Er hatte bis zur letzten Minute, bis zum letzten Aufruf gewartet, ehe er ins Flugzeug gestiegen war; mit hängenden Schultern, den Blick zurück zur großen Abflughalle des Flughafens gerichtet, um sich zu vergewissern, dass sie nicht doch noch angerannt kam, Gary! Gary! Warte auf mich!, schrie und einen ihrer Absätze abbrach, weil sie so schnell rannte. Was soll das denn, hätte er dann gesagt, willst du mit diesen hohen rosa Absätzen etwa verreisen? Und dieser Strohhut mitten im Winter? Und
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