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Montags sind die Eichhörnchen traurig: Roman (German Edition)

Montags sind die Eichhörnchen traurig: Roman (German Edition)

Titel: Montags sind die Eichhörnchen traurig: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Pancol
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enttäuscht mit kleinen, verächtlichen Sprüngen davon, für wen hielt man sie denn?
    Samstags und sonntags wussten sie nicht mehr, wo ihnen der Kopf stand, und sie häuften Vorräte für die ganze Woche an.
    Aber montags …
    Montags kamen sie hektisch von ihren Bäumen herunter und suchten ihre Freunde vom Wochenende. Verlassene Rasenflächen, keine Freunde mehr. Sie hüpften umher, stießen leise Rufe aus, ihre Köpfe drehten sich wie Blaulichter, sie warteten, warteten, bis sie schließlich mit hängendem Schwanz den Rückzug antraten und betrübt zurück auf die Bäume kletterten. Man liebte sie nicht mehr, sie gefielen nicht mehr. Von ihrem hohen Zufluchtsort herab belauerten sie die großen, grünen Flächen. Keine Baseballspieler mehr, keine Kinder, keine fliegenden Erdnüsse. Die Show war zu Ende. Sie hatten ausgedient. So war das Leben … Man glaubt, man werde ewig währen, und plötzlich ist man vergessen.
    Und so verteilte er, wenn er montags von seinen langen Übungseinheiten auf dem durchgesessenen Klavierhocker zurückkam, Toastbrot und Cashewnüsse, um sie zu trösten. Sie fühlen sich auch manchmal einsam, dachte er. Und auch sie brauchen Freunde … Wir sind uns ähnlich, die kleinen Prachtschwanzratten und wir Menschen.
    Er streckte die Hand nach ihnen aus. Suchte eines, das sich mit ihm anfreunden würde. Er suchte es unter all den Grauhörnchen. Ein schelmisches, furchtloses Kerlchen, das sein Freund sein würde …
    Er dachte an die roten Eichhörnchen von Crichton Castle.
    Mrs. Howell hatte nicht mehr versucht, ihn zu erreichen, und es war ihm egal.
    Das schien ihm alles so weit entfernt. Als wären es die Erinnerungen eines anderen Mannes. Eines Mannes aus der Vergangenheit. Mit diesem Mann hatte er nichts mehr zu tun. Er ließ sich auf die Wiese fallen und warf seine letzten Erdnüsse ins Gras.
    Er rief seine Großmutter an.
    Alles in Ordnung, Großmutter, posaunte er, ich schlage mich wacker in der großen Stadt. Und ich gebe nicht dein ganzes Geld aus. Er sagte ihr nicht, dass er dieses Geld eigentlich gar nicht so gern mochte, aber er dachte es. Er musste zugeben, dass ihm ihre finanzielle Unterstützung eine große Hilfe war, aber er wusste auch, dass er ihr dieses Geld eines Tages bis auf den letzten Penny zurückzahlen würde.
    »Du wärst stolz auf mich! Morgens übe ich Klavier, und nachmittags knete ich Teig …«
    »Du hast noch keine Arbeitserlaubnis! Das ist illegal!«, rief seine Großmutter entsetzt.
    »Ach … du weißt, dass man eine Erlaubnis braucht, um hier arbeiten zu dürfen! Mensch, Großmutter, du bist ja wirklich gut informiert. Immer auf dem neuesten Stand, was?«
    »Während des Krieges habe ich auch Einschränkungen erlebt! Ich hatte eine Lebensmittelkarte, genau wie alle anderen … und ich gab sehr viel weniger Butter in meine Kuchen.«
    »Und genau deshalb verehren dich deine Untertanen, Großmutter! Unter dem ganzen Protokoll schlägt dein Herz …«
    Sie gluckste, ein leises, ruckartiges Lachen, das sie augenblicklich unterdrückte.
    »Du könntest zur Grenze gebracht und ausgewiesen werden! Und dann war’s das mit deiner Schule, deinen Plänen und deiner Zukunft …«
    »Schon, aber es gibt da eine kleine, versteckte Tür zum Hof … Wenn sie kommen, nehme ich die Beine in die Hand und verschwinde!«
    Sie räusperte sich und sagte, es ist lieb von dir, mich anzurufen. Meldest du dich auch ab und zu bei deiner Mutter?
    Er brachte es noch nicht über sich, mit seiner Mutter zu reden, er schickte ihr Mails. Er erzählte ihr von seinem Alltag. Er fügte hinzu, dass er irgendwann auch wieder direkt mit ihr sprechen könne. Wenn er sich mit seiner Wut auseinandergesetzt hätte.
    Er wusste nicht genau, warum er wütend war.
    Er wusste nicht einmal, ob er auf sie wütend war.
    Joséphine legte das Tagebuch des Kleinen Mannes nicht mehr aus der Hand.
    Immer noch löste sie behutsam mit einem schmalen Messer die einzelnen Seiten über dem Dampf des Wasserkochers voneinander, wobei sie darauf achtete, dass die Tinte in dem feuchten Dunst nicht verwischte. Sorgfältig isolierte sie jede Seite und glättete sie zwischen zwei Blatt Löschpapier. Wartete, bis sie trocken war, ehe sie sich der nächsten zuwandte …
    Die reinste Archäologenarbeit …
    Anschließend entzifferte sie langsam die Schrift. Genoss jeden Satz. Betrachtete die Streichungen, die Tintenflecken, versuchte die durchgestrichenen Wörter zu lesen. Wenn der Kleine Mann Wörter ausstrich, konnte man kaum

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