Montags sind die Eichhörnchen traurig: Roman (German Edition)
noch erkennen, was sich darunter verbarg. Sie zählte die wenigen Seiten, die ihr noch blieben, und sagte sich, dass es bald enden würde. Cary Grant würde das Flugzeug nach Los Angeles besteigen.
Sie würde allein zurückbleiben, genau wie der Kleine Mann …
Auch er spürte das Ende nahen. Sein Tonfall wurde wehmütig. Alles in ihm krümmte sich zusammen. Er zählte die Tage, er zählte die Stunden, er ging nicht mehr zum Unterricht, morgens wartete er, bis Cary Grant das Hotel verließ, folgte ihm, bemerkte den hochgeschlagenen Kragen seines weißen Regenmantels, seine blank polierten Schuhe, reichte ihm ein Sandwich, einen Kaffee, hielt sich abseits, ohne ihn jemals aus den Augen zu verlieren.
Es gab einen zweiten Abend im Hotel.
Diesmal sagte er Geneviève vorher Bescheid; sie würde ihm erneut als Alibi dienen. Er würde behaupten, sie seien zusammen ins Kino gegangen. Sie schmollte, du gehst nie mit mir ins Kino, ich verspreche dir, dass ich mit dir gehe, sobald er weg ist, wann ist er denn weg?
»Ich habe die Augen geschlossen, um die Frage nicht zu hören.«
Dieser Satz nahm eine ganze Seite ein. Darunter hatte er das Gesicht eines Mannes mit verbundenen Augen gemalt. Er sah aus wie ein zum Tode Verurteilter.
»Er hat mich wieder in seine Hotelsuite eingeladen. Ich war so überrascht, dass ich ihn gefragt habe: ›Warum verbringen Sie so viel Zeit mit mir? Sie sind ein großer Star, und ich bin ein Niemand …‹
›Natürlich bist du jemand. Du bist mein Freund.‹
Und er hat seine Hand auf die meine gelegt.
Er braucht mich nur anzulächeln, und schon verwandelt sich meine Angst in Zuversicht, meine Zurückhaltung verfliegt, und ich habe den Mut, ihm all die Fragen zu stellen, die ich mir stelle, wenn er nicht da ist.
Er möchte Geneviève kennenlernen. Ich musste unwillkürlich lächeln. Ich habe mir vorgestellt, wie die beiden einander gegenüberstehen. Sie mit ihrem braven Jungfrauengehabe, ihrem Flaum über der Lippe, ihrem roten, krausen, strohigen Haar. Und er so elegant, so lässig! Also habe ich gelacht und gesagt, o nein!, und er hat gefragt, warum denn nicht, my boy ? Vertrau mir. Ich werde sie mir gründlich ansehen und dir sagen, ob du mit ihr glücklich sein kannst … Ich habe ein finsteres Gesicht gemacht und nichts mehr gesagt. Ich will mit ihm glücklich sein …
›Ich kenne mich mit der Ehe aus, weißt du! Ich war dreimal verheiratet. Aber jedes Mal hat mich meine Frau verlassen. Ich habe mich oft gefragt, wieso … Vielleicht sind meine Ehen wegen dem gescheitert, was ich mit meiner Mutter erlebt habe … Das wäre durchaus möglich. Aber vielleicht bin ich auch einfach nur furchtbar langweilig! Das Problem ist, wenn ich verheiratet bin, träume ich davon, Junggeselle zu sein, und wenn ich Junggeselle bin, träume ich davon, verheiratet zu sein …‹
Er ist aufgestanden und hat eine Platte von Cole Porter aufgelegt. Ein Lied namens Night and Day , und dann hat er uns beiden ein Glas Champagner eingeschenkt.
›Ich habe Cole Porter in einem meiner Filme gespielt. Ich glaube, ich war ziemlich schlecht, aber seine Musik liebe ich sehr!‹
Und da habe ich all meinen Mut zusammengenommen und ihm gesagt, dass alle es merkwürdig finden, dass wir beide Freunde sind. Dass sie sich am Set über mich und meine Zuneigung zu ihm lustig machen. Ich habe ganz schnell gesprochen, es war mir peinlich.
›Na und? Hörst du auf das, was die anderen sagen? Das darfst du nicht. Wenn du wüsstest, was ich schon alles über mich gehört habe!‹
Er muss mir meine Ahnungslosigkeit angesehen haben, denn er hat mir erklärt: ›Ich habe immer versucht, elegant zu sein, mich gut zu kleiden, ich hatte Erfolg, ich habe Frauen geliebt. Wunderbare Frauen … Und trotzdem weiß ich, dass viele Leute glauben, ich würde Männer lieben. Was soll ich dagegen machen?‹
Er hielt inne und breitete die Arme aus.
›Ich glaube, das ist das Los aller erfolgreichen Menschen. Die Leute reden alles Mögliche über sie. Ich weigere mich, mir von solchen Dingen die Laune verderben zu lassen. Und ich weigere mich, mir von solch hirnlosen Menschen vorschreiben zu lassen, wie ich zu leben habe. Sollen sie doch denken, was sie wollen. Sollen sie schreiben, was sie wollen! Für mich ist entscheidend, dass ich selbst weiß, wer ich bin … Was die anderen denken, ist mir vollkommen egal, und das sollte es dir auch sein …‹
Dann hat er das Lied noch einmal von vorn abgespielt, hat night and day, you are the one,
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