Montags sind die Eichhörnchen traurig: Roman (German Edition)
beschmutzt alles, was sie berührt.
»Anscheinend hat sie sich in einen Universitätsprofessor verliebt … Sie hat sich wohl Iris anvertraut, und die hat sich über ihre verklemmte kleine Schwester lustig gemacht … Ich dachte, das könnte dich interessieren … Ihr seid euch doch sehr nahegekommen, wie ich gehört habe …«
Sie lachte leise.
Philippe schwieg. Hin und her gerissen zwischen seiner Abneigung gegen Bérengère Clavert und dem Wunsch, mehr zu erfahren.
Schweigen senkte sich auf sie herab. Und Bérengère wusste, dass sie ins Schwarze getroffen hatte.
Gekränkt darüber, erneut zurückgewiesen worden zu sein, hatte sie beschlossen, noch einmal anzurufen und ihn ebenfalls zu verletzen. Für wen hielt sich dieser Mann eigentlich, der sie so rüde zurückstieß? Iris hatte ihr irgendwann erzählt, dass Philippe immer sagte: Bérengère ist ein nutzloses Wesen. Und unheilstiftend noch dazu!
Er behauptete also, sie stifte Unheil. Er würde noch sehen, wie recht er damit hatte.
Das Schweigen hielt an, und Bérengère frohlockte. Dann stimmte es also, was man ihr erzählt hatte: Philippe Dupin hatte sich in seine kleine Schwägerin verknallt. Sie sollten sogar schon vor Iris’ Tod eine Affäre gehabt haben. Dreist fuhr sie in schmeichelndem Ton fort: »Offenbar hat sie ihn durch ihre Forschungen kennengelernt … Ein attraktiver Universitätsprofessor … Er lebt in Turin … Geschieden, zwei Kinder. Damals ist nichts zwischen ihnen gelaufen. Er war verheiratet. Und du kennst ja Joséphine, sie hat ihre Prinzipien, und an denen ist nicht zu rütteln. Aber jetzt ist er frei, und angeblich sind die beiden neulich zusammen in Paris gesehen worden. Sie schienen sehr vertraut miteinander umzugehen … Das hat mir eine Freundin erzählt. Sie arbeitet an der Sorbonne und kennt deine Schwägerin.«
Philippe dachte einen Moment an Luca, doch dann fiel ihm ein, dass Luca weder Professor noch verheiratet oder Vater war. Außerdem saß Luca seit September in einer geschlossenen Anstalt irgendwo in der Provinz.
»Ist das alles, was du mir zu sagen hast, Bérengère?«
»Er heißt Giuseppe … Mach’s gut, Philippe … Oder besser gesagt: Arrivederci !«
Philippe steckte die Hände so tief in seine Taschen, als wollte er das Futter einreißen. Unmöglich, dachte er, unmöglich. Ich kenne Joséphine, sie hätte es mir gesagt. Das ist ja der Grund, warum ich sie liebe. Sie ist aufrecht wie eine Schwertklinge.
Es war ihm nie in den Sinn gekommen, dass Joséphine ein anderes Leben haben könnte.
Dass sie sich für einen anderen Mann interessieren könnte.
Sich ihm anvertrauen, mit ihm lachen, beim Gehen seinen Arm nehmen könnte …
Er fragte sich, warum er nie daran gedacht hatte.
Sein erster Gesprächspartner war da. Gwendoline fragte, ob er ihn empfangen könne.
»Noch eine Minute«, bat er.
Schon, aber …
Sie will mich nicht verletzen.
Sie weiß nicht, wie sie es mir sagen soll.
Seit Monaten reagiert sie weder auf meine Blumen noch auf meine Briefe und meine Mails.
Er ließ seinen Besucher hereinkommen.
Es war einer dieser Klienten, die reden und reden und einfach nur wollen, dass man ihnen zustimmt. Zur Beruhigung. Er trug ein beigefarbenes Tweedjackett und ein gelbes Hemd. Sein Krawattenknoten glich seiner Nase: krumm und schief.
Philippe nickte, und sein Blick ruhte auf Nase und Krawatte.
Der Mann sprach, er stimmte ihm zu, aber in seinem Kopf hörte er immer wieder die gleiche Frage: »Schon, aber was, wenn …«
Was, wenn Bérengère die Wahrheit sagte …?
Er hatte sich schon vor Iris’ tragischem Tod von ihr getrennt.
Ihre Beziehung war in New York zerbrochen. Er hatte das Wort ENDE auf die weiße Decke eines Tischs im Waldorf Astoria geschrieben.
Als er von ihrem Tod erfahren hatte, war er schockiert und traurig gewesen. Was für eine Verschwendung!, hatte er sich gesagt. Er hatte an Alexandre gedacht. Das Foto von Lefloc-Pignel in den Zeitungen, seine feindselige, verstockte Miene, hatte ihn lange verfolgt. Dieser Mann hat also meine Frau getötet … Dieser Mann.
Dann waren die Züge des Fotos allmählich verschwommen. Und von Iris hatte er nur das Bild einer schönen, leeren Frau bewahrt.
Einer Frau, die einmal die seine gewesen war …
Heute Abend würde er Dottie anrufen und sie fragen, ob sie Zeit hatte, etwas mit ihm trinken zu gehen.
Dottie war seine Vertraute, seine Freundin. Dottie hatte sanfte Augen und blonde Wimpern. Knochige Hüften und babyweiches Haar.
Er
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