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Montags sind die Eichhörnchen traurig: Roman (German Edition)

Montags sind die Eichhörnchen traurig: Roman (German Edition)

Titel: Montags sind die Eichhörnchen traurig: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Pancol
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Alexandre zunehmend. Er verbarrikadierte sich hinter höflichem Schweigen, als wären die Fragen, die er sich selbst stellte, zu schwerwiegend, um sie seinem Vater zu stellen.
    Jeden Morgen beim Frühstück wartete Philippe darauf, dass er redete. Eines Tages hatte er ihn beim Nacken gepackt und ihn gefragt, was hältst du davon, wenn du heute einfach die Schule schwänzt und wir zusammen spazieren gehen? Alexandre hatte höflich abgelehnt, ich schreibe heute eine Matheklausur, ich kann nicht.
    Er geht mir aus dem Weg. Macht er mir vielleicht Vorwürfe, weil ich mich öffentlich mit Joséphine gezeigt habe? Oder ist es die Erinnerung an seine Mutter, die ihn wieder einholt?
    Alexandre hatte auf dem Friedhof Père-Lachaise nicht geweint. Weder seine Lippen noch seine Stimme hatten während der Einäscherung gezittert. Machte er ihm Vorwürfe, weil er seine Mutter nicht hatte beschützen können?
    In guten wie in schlechten Zeiten, in guten wie in schlechten Zeiten …
    In den letzten Monaten war sein Sohn gewachsen, er war in den Stimmbruch gekommen, Barthaare und kleine rote Pickel sprossen auf seinem Kinn. Er hatte sich weiterentwickelt, sowohl körperlich als auch geistig. Er war nicht länger sein kleiner Junge. Er wurde zu einem Fremden …
    Wie auch Iris zu einer Fremden geworden war.
    Merkwürdig, sagte sich Philippe, man kann Seite an Seite leben und doch kaum etwas voneinander wissen. Einander aus den Augen verlieren, obwohl man jeden Tag miteinander redet. In meiner Ehe mit Iris war ich ein Gast. Ein Schatten, der durch die Flure ging, sich an den Tisch setzte und wieder zurück ins Büro fuhr. Abends schlief ich mit einer Maske über den Augen und Ohrstöpseln ein.
    Bald wurde Alexandre fünfzehn, jenes Alter, in dem Eltern eine Quelle der Peinlichkeit sind. Manchmal ging er samstags abends weg. Philippe brachte ihn hin und holte ihn später wieder ab. Im Auto redeten sie kaum miteinander. Beide verhielten sich wie ein Einsiedler. Alexandre klopfte seine Taschen ab, um sich zu vergewissern, dass er auch seine Schlüssel, sein Handy und ein wenig Geld dabeihatte, wandte sich dann dem Fenster zu, legte die Stirn an die Scheibe und betrachtete die nassen Lichter der Stadt.
    Philippe erkannte manche seiner eigenen Gesten wieder. Er lächelte, während er nach vorn auf die Straße sah.
    Es war mittlerweile Ende November, und es herrschte eine seltsame schneidende, feuchte Kälte. Alexandre ging durch den Park nach Hause und schimpfte vor sich hin, weil man ihm schon wieder seine gefütterten Handschuhe geklaut hatte. Nur Diebe in dieser Schule! Wenn man seine Handschuhe oder seinen Schal auch nur eine Sekunde lang aus den Augen ließ, konnte man sicher sein, dass sie einem geklaut wurden. Ganz zu schweigen von Handys oder iPods, die versteckte man lieber ganz.
    Er ging gern zu Fuß nach Hause.
    Er durchquerte ein Stück des Hyde Park und sprang dann in einen Bus. Die 16, die 6 oder die 98. Er hatte die Wahl. Er stieg an der Haltestelle George Street in der Edgware Road aus und ging zu Fuß zum Montagu Square 48. Er mochte sein neues Viertel sehr. Sein Zimmer ging auf einen kleinen privaten Park hinaus, zu dem sein Vater den Schlüssel hatte. Einmal im Jahr öffneten die Anwohner den Park und organisierten ein Picknick. Sein Vater kümmerte sich um den Grill und das Braten des Fleischs.
    In der U-Bahn lief er Gefahr, eine Viertelstunde in einem Tunnel stecken zu bleiben, und dann dachte er an seine Mutter. Sie erschien ihm immer in der U-Bahn, wenn der Zug stehen blieb …
    Im Dunkel des Waldes im Scheinwerferstrahl tanzend, bevor sie sich ein Messer ins Herz rammen ließ. Er zog den Hals in den Mantelkragen ein und biss sich auf die Lippen.
    Er verbot sich, »Maman, Maman …« zu sagen, sonst könnte er für nichts mehr garantieren.
    Er ging durch den Park. Zu Fuß von South Kensington zum Marble Arch. Er trainierte, immer größere Schritte zu machen, als wäre er auf einen Zirkel montiert. Manchmal streckte er die Beine so weit, dass er Angst hatte, sie zu zerreißen.
    Was ihn wirklich beschäftigte, seit die Schule wieder angefangen hatte, war das Abschiednehmen.
    Er trainierte, von jeder Person, der er begegnete, Abschied zu nehmen, so, als sollte er sie niemals wiedersehen, als würde sie sterben, sobald sie an ihm vorbei war, und anschließend beobachtete er, welchen Schmerz ihm das bereitete. Er sagte dem Mädchen Lebewohl, das ihn bis zur Straßenecke begleitete. Sie hieß Annabelle, hatte eine lange

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