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Montags sind die Eichhörnchen traurig: Roman (German Edition)

Montags sind die Eichhörnchen traurig: Roman (German Edition)

Titel: Montags sind die Eichhörnchen traurig: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Pancol
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würde schon etwas finden.
    Sie war Hortense Cortès, einzigartig, atemberaubend, intelligent, kühn, brillant, sexy, umwerfend, unglaublich.
    »Und du hast nichts mehr von ihm gehört?«
    Hortense und Shirley hatten sich am südlichen Themseufer verabredet, um bei Wagamama eine Schale chinesischer Nudeln zu essen. Das Wetter war schön, sie saßen draußen und ließen in der Sonne die Beine baumeln.
    »Nur Mails … Er will nicht mit mir reden. Noch nicht. Nur Mails …«
    »Und was schreibt er?«
    »Dass das Leben schön ist, dass er in einem roten Backsteingebäude mit grünen Fenstern in der 74th Street West wohnt …«
    »Hast du die genaue Adresse?«
    »Nein. Wieso?«
    »Nur so …«
    »Irgendwo zwischen Amsterdam und Columbus …«
    »Ein schönes Viertel?«
    »Sehr schön. Vor seinen Fenstern stehen zwei Bäume.«
    Ein Skateboardfahrer kam herangeglitten, bremste abrupt, sah einen Moment zu, wie sie ihre Nudeln aßen und rief Eat the bankers! , ehe er wütend weiterfuhr.
    »Und was sonst noch?«
    »Er hat einen Freund namens Jerome bei Brooks Brothers, eine Freundin, die ihm Schokocroissants verkauft, und eine andere mit grünen und blauen Haaren …«
    »Schläft er mit ihr?«
    »Das schreibt er nicht.«
    Shirleys Stimme klang trübsinnig, und sie stocherte versonnen in ihren Currynudeln. Sie zitierte die Mails ihres Sohnes Wort für Wort. Hortense fragte sich, wie oft sie sie gelesen hatte. Hatte sie sie auswendig gelernt?
    »Er liebt New York, es ist Frühling, ganze Flocken von Pollen fallen auf den Park herunter, es sieht aus wie Schnee, die Leute haben rote Augen, sie niesen, sie weinen, die Vögel singen nies-nies-nies, und er antwortet nein-nein-nein, weil er nicht niest und nicht weint, sondern fröhlich herumspringt. Er hat jede Menge Eichhörnchenfreunde. Montags sind sie traurig, weil sich niemand um sie kümmert …«
    »Montags sind die Eichhörnchen im Central Park traurig?«, wunderte sich Hortense.
    Shirley nickte, den Blick in der Ferne verloren.
    »Ist das alles?«, hakte Hortense nach.
    »Er spielt Klavier im Hinterzimmer eines Ladens, nachmittags arbeitet er in einer Bäckerei, er verdient seinen Lebensunterhalt. Mit einem Wort, er ist glücklich …«, sagte sie mit finsterer Stimme.
    Hortense fiel ein Satz von Balzac ein, den ihre Mutter immer zitiert hatte, um sie und Zoé zum Lachen zu bringen: »Ha, sagte der Graf vergnügt, als er seine Frau traurig sah.« Shirley wirkte traurig darüber, zu wissen, dass ihr Sohn vergnügt war.
    »Erwähnt er mich manchmal? Fragt er, wie es mir geht?«
    »Nein.«
    »Dann schläft er garantiert mit den grün-blauen Haaren. Aber das macht nichts, das liegt nur daran, dass ich weit weg bin …«
    Es war eine unausgesprochene Regel zwischen ihnen. Sie verabredeten nie, wann sie einander wiedersehen würden, nicht einmal, ob sie sich überhaupt je wiedersehen würden. Gestanden einander niemals, dass sie sich etwas bedeuteten. Dass sie am liebsten den Kopf des anderen packen und ihn auf den Mund küssen würden, bis es wehtat. Aus Stolz. Sie waren stur. Sie verabschiedeten sich jedes Mal beiläufig voneinander, ein »Ist doch nicht schlimm, wenn ich dich morgen nicht wiedersehe« schwang in ihren Worten mit. Aber sie wussten es. Sie wussten es beide …
    Also war das Mädchen mit dem grün-blauen Pony völlig unwichtig. Sie war ihr egal.
    Ein kleiner, schmächtiger Mann ging an ihnen vorbei. Auf dem Rücken trug er eine Werbetafel für eine Hämorrhoidencreme. Hortense stieß Shirley mit dem Ellbogen an, doch Shirley lächelte nicht. Sie schien sich in einen alles überwältigenden Kummer eingemauert zu haben. Einen Kummer, dessen graue Mauern sie daran hinderten, einen kleinen Mann zu sehen, der fast unter einer Werbetafel für ein Mittel gegen brennende Arschlöcher zusammenbrach. Hortense verspürte den unbändigen Drang zu gehen. Die Bänder der rosa Satinsandalen schnitten ihr in die Knöchel, sie hätte sie nicht anbehalten sollen, um über den Asphalt zu laufen. Sie ließ die Beine baumeln, um ihre Knöchel zu entlasten.
    »Maman hat mir das von Gary erzählt. Wie er dich und Oliver erwischt hat …«
    »Oliver war nur der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat. Gary hatte sich schon lange von mir abgewandt … Er entfernt sich von mir, und das ertrage ich nicht.«
    »Das sieht man, du siehst schrecklich aus …«
    »Ich fühle mich wie Ariadne im Labyrinth. Ich habe den Faden verloren …«
    »Dein Faden, das war Gary, nicht

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