Montags sind die Eichhörnchen traurig: Roman (German Edition)
breitete das Gemüse, das Fleisch, den Fisch, den Käse, die Gewürzgurken, die Erdbeeren und die Kirschen auf dem Tisch aus. Schlug ein Kochbuch auf, um das Menü zusammenzustellen. Sann über tausend ausgefallene Kombinationen nach. Hähnchen mit Erdbeeren? Kaninchen mit Steckrüben? Seezunge mit Karamell und Schokolade? Und warum eigentlich nicht? Das Leben ist trist, weil man es jeden Tag aufs Neue wiederholt. Man braucht bloß die Zutaten zu verändern, und schon beginnt es zu singen. Der Schlüssel drehte sich in der Wohnungstür, er rief hello, hello! , zog die Schuhe aus, das Jackett, die Krawatte, zog einen Pullover über, der fleckig werden durfte, und griff nach einer langen Schürze.
Er putzte, er schnitt, er wusch, er schälte, er entkernte, er rieb, er hobelte, er hackte, er füllte, er spickte, er höhlte aus, er rupfte, er überbrühte, er frikassierte, er gratinierte, er maskierte, er löschte ab, er ließ auf kleiner Flamme einkochen, er reduzierte, er quirlte, er schlug auf, er bestreute und …
Er redete.
Über alles und nichts. Manchmal über sich selbst.
Sie hörte zu, ein Auge auf die Lebensmittel gerichtet, das andere auf das Kochbuch.
Sie machten sich an die Arbeit.
Und bei diesem Tanz war sie es, die führte …
Er sagte, das erinnere ihn an seine Kindheit. Die große normannische Küche, die beinahe roten Kupferkessel, die entlang der Wände aufgereihten Töpfe, die alten Keramikkacheln, die Knoblauch- und Zwiebelkränze über den Fenstern, die kleinen, blau-weiß karierten Vorhänge. Er war ein Einzelkind und flüchtete sich in die Röcke von Marcelline, ihrer Köchin und Mädchen für alles.
Becca wählte die benötigten Utensilien, legte Eier und Mehl zurecht, Butter und Petersilie, die Zucchini, die Auberginen und die Chilis, öffnete eine Flasche Öl und kam zu dem Schluss, dass Kochen doch im Grunde ganz einfach war, nur die Franzosen machten daraus eine Staatsaffäre. Er protestierte, behauptete, in keiner anderen Sprache auf der Welt gebe es so viele Worte, um die Tischkultur zu preisen, denn so nennt sich das, meine liebe Becca. Blablabla, Rhabarberquark, antwortete sie, und er konterte mit Aurorasauce, Gribiche, Ravigote, Remoulade, Velouté, Escabèche, sie verschloss ihm den Mund mit einem Kulebjak, und er verstand nur Quak …
Sie frohlockte.
Sie lernte komplizierte französische Wörter, während sie in ihrem Kochbuch las.
Sie lernte, mit ihm zu reden, während sie die Butter anbräunen ließ und Knoblauchzehen in der Schale röstete.
Jeden Tag kamen sie einander näher.
Jedes Geständnis trug den Namen eines Gerichts.
Sie notierte sie auf Annies schwarzer Küchentafel.
Die Liste glich einem Abzählreim.
Sie erzählte von ihrem verlorenen Liebsten.
Der nachts zu ihr zurückkam.
Wenn alle anderen schliefen. Er wollte niemandem begegnen.
Sie nannte ihn einen blöden Trottel …
Er widersprach: »Das sagen Sie nicht zu ihm, Becca, Sie sind doch in ihn verliebt.«
»O ja! Ich habe ihn geliebt, und ich liebe ihn immer noch«, antwortete sie und biss sich auf den Finger. »Aber ich bin die Einzige, die ihn sieht, nachts … Wie Mrs. Muir ihren Geist.«
»Ich bin auch ein Geist für die Frau, die ich liebe …«
»Es liegt doch nur an Ihnen, Ihr weißes Gewand abzulegen … Was halten Sie von einem Blumenkohlgratin für heute Abend? Mit einer Béchamelsauce. Eine weiße Sauce aus weißer Milch und hellem Käse zu einem weißen Gemüse, hätten Sie darauf Appetit?«
Er nickte.
Ohne die vertraulichen Plaudereien zu unterbrechen, machten sie sich an die Arbeit.
»Irgendwann werde ich nach Paris fahren … Ich warte darauf, dass sie mich anruft, dass sie mir sagt, dass sie aus diesem Schatten herausgetreten ist …«
»Und Schattenmorellen zum Dessert nach diesem Gemüsegericht aus der Familie der Kreuzblütler …?«
»Sie haben sich Ihre Lektion gut gemerkt, meine liebe Becca …«
»Dann merken Sie sich diese, Philippe: Vergeuden Sie nicht Ihre Zeit. Die Zeit vergeht so schnell … Sie zerrinnt Ihnen zwischen den Fingern. Manchmal geht es nur um Sekunden, und diese Sekunden können später zu einer Ewigkeit werden.«
»Irgendwann wird sie mich anrufen, und dann springe ich in den Eurostar …«
»Und an diesem Tag werden Sie der glücklichste aller verliebten Männer sein …«
»Waren Sie sehr verliebt, Becca?«, wagte er zu fragen, während er sich ein Pflaster auf den Finger klebte. Er hatte sich beim Petersiliehacken geschnitten, überall auf der
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