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Montags sind die Eichhörnchen traurig: Roman (German Edition)

Montags sind die Eichhörnchen traurig: Roman (German Edition)

Titel: Montags sind die Eichhörnchen traurig: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Pancol
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Arbeitsfläche war Rot.
    »Oh, ja! Ich habe nicht eine Minute aufgehört, ihn zu lieben … Bis er mich an dieser Kreuzung in Soho verließ. Ein Krankenwagen ist mit seinem Motorrad zusammengeprallt, das ist doch ironisch, finden Sie nicht? Er ist in drei Takten gegangen, im ersten hat er sich mit einem strahlenden Lächeln von mir verabschiedet, im zweiten hat er seinen Helm aufgesetzt, und im dritten verschwand er um die Straßenecke. Eins, zwei, drei, eins, zwei, drei, wie ein Tanzschritt …«
    Sie wiegte den Kopf hin und her, legte die Arme über dem Kopf zusammen und straffte ihren Körper.
    »Ich habe ihn nie wiedergesehen. Niemals …«
    »Nicht einmal im Krankenhaus?«
    »Ich habe ihn nicht identifiziert, das überstieg meine Kräfte; ich wollte das schöne Bild des lebendigen, springenden Mannes behalten, der mir so lange Herzklopfen bereitet hatte. Er war mein Meister und meine Inspiration. Ich tanzte für ihn, um das zu verkörpern, was er vor seinem inneren Auge sah. Er ließ mich in die Lüfte aufsteigen, und ich konnte fliegen … Bis zu jenem schrecklichen Tag, als ich auf dem Boden zerschellte …«
    »Und Sie haben nie wieder getanzt?«
    »Ich hatte das Alter erreicht, die Bühne zu verlassen. Mit vierzig räumt man die Ballettschuhe weg, dann ist man alt …«
    Sie wandte den Kopf ab, schaute aus dem Fenster, lächelte ernst.
    »Ich war in meinem Leben schon mehrere Male alt …«
    Dann drehte sie sich wieder zu ihm um und sah ihm in die Augen.
    »Wir hatten beschlossen, eine Tanzschule zu eröffnen. Er war Choreograf, ich war sein Star. Aus der ganzen Welt kamen die Menschen, um seine Kreationen zu sehen. Ich habe im Royal Ballet getanzt, mein Lieber. Was glauben Sie, warum mir der Intendant der Königin nachts die Tür seines Gerätehäuschens öffnet? Er erinnert sich an mich. Er hat mich auf der Bühne tanzen sehen, er hat mir applaudiert …«
    Sie verneigte sich und versank wimpernschlagend in den Knicks einer Ballerina.
    »Wir hatten schöne Jahre zusammen, haben so schöne Choreografien entwickelt; er wollte nicht, dass wir tanzten, er wollte, dass man die Musik tanzen sah … Er hatte in Sankt Petersburg Komposition studiert, er war Russe, sein Vater war ein großer Pianist. Er isolierte jede einzelne Bewegung, als wäre sie eine Note. Er liebte alle Arten von Musik, das machte seinen Reichtum aus … Er umarmte die ganze Welt. Nach meinem Rückzug vom Royal Ballet wollte er eine Schule eröffnen, in der er Startänzer und Choreografen ausbilden würde. Eine Art Tanzakademie … Wir hatten das Geld aufgetrieben, Räumlichkeiten in Soho gefunden. Er war gerade auf dem Weg, den Mietvertrag zu unterschreiben, als er überfahren wurde …«
    »Hatten Sie keine Kinder?«
    »Das war mein zweites großes Unglück. Ich habe einen kleinen Jungen bei der Geburt verloren … Wir haben so viel zusammen geweint … Er sagte, weine nicht, er war ein Verkündigungsengel und hat den Weg für ein anderes Kind bereitet … Er hob den Blick zum Himmel, als betete er. Duschka, sagte er, weine nicht, weine nicht … Nachdem er von mir gegangen war, hatte ich keinen Grund mehr zu leben oder zu tanzen …«
    »Und Sie sind untergegangen …«
    »Ich bin wieder auf den Boden zurückgekehrt. Es war die Hölle …«
    Sie lächelte, während sie die Milch in den Topf goss.
    »Man sieht selbst nicht, wie man untergeht. Man glaubt zu schlafen, redet sich ein, es sei ein Albtraum … Man hört auf, die Miete zu zahlen, man vergisst zu essen, sich zu frisieren, einzuschlafen, aufzuwachen, bald hat man keinen Hunger mehr, keinen Durst mehr, die Kleider schlottern am Körper herunter, man wundert sich, dass man immer noch lebt. Freunde meiden einen. Wenn Sie Probleme haben, fürchten die Leute, Sie könnten sie damit infizieren. Unglück ist ansteckend … Oder vielleicht habe ich auch aufgegeben, weil ich Angst hatte, sie zu stören …«
    In ihrem Blick lief der verblichene Film dieser schrecklichen Jahre ab. Philippe ahnte, dass sie sich konzentrierte, um die Bilder zu entziffern.
    »Danach geht alles sehr schnell. Das Telefon klingelt nicht mehr, es wird abgestellt. Die Monate vergehen. Man sagt sich immer, dass dieses Leben, mit dem man nur noch durch einen dünnen Faden verbunden ist, doch irgendwann aufhören muss … Aber es endet nicht so, wie man glaubte.«
    »Lassen Sie mich raten …«
    »Jemand wie Sie, der immer behütet gelebt hat, kann das nicht erraten … Erst wenn man ohne Netz über das Seil geht, ist

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