Montags sind die Eichhörnchen traurig: Roman (German Edition)
verkauft werden. Was würde aus ihrer Pflegeserie werden? Mister Wei brauchte sie, um sie weiterzuentwickeln. Er würde vor Wut toben …
Der Zollbeamte gab ihr den Reisepass zurück, und sie ging ohne Umweg über die Gepäckausgabe hinaus.
Mister Wei hatte eingewilligt, ihr ihren Reisepass zurückzugeben, aber mehr auch nicht. Was brauchte sie denn schon, hatte er gebellt, um zu ihrer kranken Mutter zu fliegen? Lons-le-Saunier war nicht Paris … Da brauchte sie keine eleganten Kleider, hatte keine hohen Ausgaben. Du lässt alles hier, hatte er wütend geschimpft, dann bin ich sicher, dass du auch wieder zurückkommst. Ich muss dich daran hindern, Dummheiten zu machen … Bist du nicht glücklich hier? Denk an das ganze Geld, dass ich dich verdienen lasse. Deine schöne Wohnung, deine Möbel, dein Flachbildfernseher … Das hast du alles mir zu verdanken … Sie hatte den Kopf gesenkt. Ihre Finger hatten sich um ihren Reisepass geschlossen, als klammerten sie sich an ein Stück Freiheit. Zwei Jahre hatte sie in Shanghai geschuftet, und nun flog sie arm wie eine Kirchenmaus wieder nach Hause. Abgesehen von ihrem Schmuck hatte sie nur noch zehntausend Dollar in ihrem Sloggi-Miederhöschen verstecken können.
Sie hatte ihre Abreise im Flugzeug gefeiert. Unter dem Vorwand, sie habe Geburtstag, hatte sie einen großen Whisky bestellt. Die Stewardess hatte sie mit einem verschwörerischen Zwinkern gefragt, wie alt sie denn werde, und sie hatte »sechsunddreißig« geantwortet. Und das würde sie auch bleiben. Sie würde niemals zweiundvierzig werden. Die Stewardess hatte ihr sechsunddreißig in buntes Glanzpapier eingewickelte Bonbons gebracht und ihr alles Gute gewünscht.
Und was mache ich jetzt?, fragte sie sich, als sie sich in die Warteschlange für den Bus nach Paris einreihte. Kein Mensch erwartet mich … Weder in Paris noch in Lons-le-Saunier.
Sie würde sich eine Stelle als Maniküre oder Kosmetikerin suchen. Sie würde zu ihrem früheren Salon in Courbevoie gehen und fragen, ob sie nicht einen Job für sie hatten. Dort hatte sie Antoine Cortès kennengelernt. Er war nicht das große Los gewesen. Aber es würden andere kommen. Sie würde ihnen von ihrem Erfolg in China erzählen, das würde vielleicht ihr Interesse wecken.
Sie folgte den Touristen, die, ihre großen Koffer hinter sich herschleifend, in den Air-France-Bus stiegen, und begann leise vor sich hin zu singen. Sie sang mit rauer, sinnlicher Stimme und tastete nach den in ihrem Miederhöschen versteckten Scheinen.
Dottie ging in die Küche, wo Becca gerade das Abendessen vorbereitete. Sie hatte ihr Rezeptbuch auf der Seite mit den crumbles aufgeschlagen und studierte mit gerunzelter Stirn und mehlweißen Händen ein Rezept. Dottie fragte sich, ob es der passende Moment sei, um mit ihr zu reden.
»Ist Philippe nicht da?«
»Er ist mit Alexandre zum Zahnarzt gefahren …«
»Hat er gesagt, wann er wieder zurück ist?«
»Nein …«
»Kann ich mit dir reden, Becca?«
»Das ist gerade etwas ungünstig, ich versuche mich zum ersten Mal an Desserts … Ist es wichtig?«
»Ja.«
»Aha …«
Becca legte ein Messer zwischen die Seiten, um das Rezept nicht zu verlieren, schob die Äpfel, das Mehl und den Rohrzucker zurück, hielt die Hände wie zwei weiße Kerzenleuchter erhoben und sah Dottie mit ihren blauen Augen an.
»Dann raus mit der Sprache …«
Dottie nahm allen Mut zusammen und sagte: »Ich muss gehen, stimmt’s?«
Die überraschten Kerzenleuchter rührten sich nicht.
»…«
»Er schaut mich nicht mehr an. Er redet nicht mehr mit mir. Er zieht mich nicht mehr an sich, wenn er nachts seinen Albtraum hat. Ich spüre seine Arme nicht mehr um mich … Früher war ich diejenige, die ihn beruhigte … Ich schmiegte mich an ihn und machte mich ganz schwer, um ihn am Boden zu halten, ich sagte mir, er braucht mich, für ein paar Stunden in der Nacht, da braucht er mich … und diese Stunden, Becca, reichten aus, um mich den ganzen lang Tag glücklich zu machen …«
Sie stockte kurz und fuhr leise fort: »Aber jetzt braucht er mich nicht mehr.«
»…«
»Dank dir ist er zur Ruhe gekommen, Becca. Ich bin überflüssig. Es ist nicht mein Verdienst, dass es ihm besser geht …«
»…«
»Ich hatte so gehofft, so sehr gehofft …«
»…«
»Ich liebe ihn, Becca. Ich liebe diesen Mann. Aber er hat mich nicht angelogen. Er hat nicht mit mir gespielt. Er hat nie behauptet, mich zu lieben … Oh, Becca … Ich bin so traurig
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