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Montags sind die Eichhörnchen traurig: Roman (German Edition)

Montags sind die Eichhörnchen traurig: Roman (German Edition)

Titel: Montags sind die Eichhörnchen traurig: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Pancol
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Hülle, zerknüllte sie und warf sie durchs Zimmer. Sie müssen leben, sie müssen sich abnutzen, ich will nicht, dass sie ganz neu aussehen, das wirkt provinziell! Das war auch etwas, was er von Fred Astaire gelernt hatte. Also spielten wir mit den funkelnagelneuen Anzügen Ball. Wir ließen sie durchs Zimmer fliegen, wir stürzten uns auf sie, wir packten sie, wir zerknautschten sie, wir warfen sie auf den Boden, und zum Schluss gratulierten wir uns erschöpft dazu, wie wir diese anmaßenden Anzüge mal trätiert hatten … Denen haben wir’s gezeigt, was, my boy ? Die werden nie wieder arrogant daherkommen! Er besaß diese ganz besondere Kunst, das Leben leicht erscheinen zu lassen. Wenn ich zu meinen Eltern in ihre düstere Wohnung zurückkehrte, kam es mir immer vor, als legte ich mich in einen Sarg … Ich stellte mir Unmengen von Fragen. Ich wusste nicht mehr, wo ich stand, in welche Welt ich gehörte. Zu Hause spielte ich meine Rolle als Mustersohn, und mit Cary entdeckte ich das Leben. Das war brutal, wissen Sie. Alles war brutal an dieser Geschichte … Und das Ende! Mein Gott! Dieser Umschlag, den mir der Hotelportier gegeben hat … Ich habe niemals einen Brief so gelesen wie diesen! Den Brief des Mannes, den ich liebte … Eine regelrechte Zeremonie. Ich weiß nicht, wie man den Brief eines Menschen, den man liebt, anders lesen kann … Oder man ist seiner Liebe nicht würdig! Nichts sollte mich bei meiner Lektüre stören. Manche Leute lesen Liebesbriefe, während sie gleichzeitig telefonieren, sich mit Freunden unterhalten, ein Fußballspiel schauen, sich etwas zu trinken einschenken, in einen Hähnchenschenkel beißen, sie legen den Brief beiseite, nehmen ihn wieder zur Hand, lesen ihn mit einer abscheulichen Gleichgültigkeit … Ich habe mich andächtig auf diesen Brief konzentriert. Allein in meinem Zimmer … Kein Geräusch, nichts, was mich ablenken könnte. Ich habe jedes Wort, jeden Satz gelesen … Zu viele Emotionen stiegen von meinem Herzen in meine Augen …«
    Sein rechter Arm war vom Sofa gerutscht und hing herunter. Er hatte die Beine angewinkelt.
    »Nach diesem Brief war ich verzweifelt. Ich habe die Aufnahmeprüfung für die École Polytechnique abgelegt und bestanden. Ich habe mein Studium absolviert wie in einem Traum, einem Albtraum. Das Einzige, was mich noch mit ihm verband, war Geneviève. Wir haben geheiratet … und den Rest kennen Sie. Ich habe sie unglücklich gemacht … Und es war mir nicht einmal bewusst. Für mich gab es nichts außer meinem Schmerz und dem Gefühl, dass mir mein Leben zwischen den Fingern zerronnen war und ich den Rest meiner Tage als lebender Toter zubringen würde …«
    Er griff nach dem Glas mit dem »kleinen Gelben«, trank einen Schluck und nahm zwei Tabletten.
    »Sie nehmen zu viele Tabletten …«
    »Ja, aber sie lindern den Husten … So kann ich mit Ihnen reden. In diese wundervollen Erinnerungen eintauchen … Das Leben ist so schnell vergangen. Ich war siebzehn Jahre alt, und plötzlich bin ich fünfundsechzig … Mein Leben ist einfach so verflogen …«
    Er schnippte mit den Fingern.
    »Und ich habe nichts daraus gemacht. Leere Jahre. Ich erinnere mich an nichts. Doch, an Genevièves Damenbart und ihre wehmütige Miene, wenn sie mir zuhörte … An unsere Hochzeitsreise nach Kalifornien und an diesen kurzen Augenblick, in dem ich wieder lebendig wurde …«
    »Und Ihre Kinder … Empfinden Sie für die denn überhaupt nichts?«
    »Ich habe mich gewundert, dass es mir gelungen war, sie zu zeugen. Aber abgesehen von diesem Gefühl der Überraschung, nein … Ich sah zu, wie der Bauch meiner Frau immer runder wurde, und es kam mir so absurd vor. Ich sollte das bewirkt haben? Und dann wurden sie geboren … Ich erinnere mich, dass sie bei den Geburten sehr gelitten hat. Ich konnte das nicht nachvollziehen. Ich fragte sie, was ist das denn für ein Schmerz? Und sie hätte mich beinahe mit Blicken ermordet. Aber es stimmt doch … Wir Männer können uns nicht vorstellen, wie das ist … Als man sie mir auf der Entbindungsstation zum ersten Mal zeigte … das war, als stammten sie gar nicht von mir, als seien sie völlig abstrakt. Und sie sind niemals konkret geworden. Ich habe sie immer aus der Ferne betrachtet … Als Babys fand ich sie recht hässlich, und später haben sie nichts getan, um mich zu bezaubern, mich ihnen näher zu bringen …«
    »Aber es war doch Ihre Aufgabe, den beiden näher zu kommen!«, rief Joséphine empört. »So ein

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