Montags sind die Eichhörnchen traurig: Roman (German Edition)
dumm und naiv … Selbst wenn wir nicht redeten, wenn wir nur schweigend nebeneinandersaßen … Das passierte immer häufiger, und wenn ich mich darüber wunderte, gab er mir einen Klaps auf die Schulter und rief, aber man hat doch nicht immer Lust zu reden, my boy !«
»Er hatte recht, finden Sie nicht?«
»Er konnte stundenlang dasitzen, ohne zu reden. Er und Howard Hughes verbrachten ganze Abende schweigend. Er kam bei ihm an, trank etwas, rauchte und las ein Buch, ohne auch nur ein Wort an ihn zu richten! Wenn sie redeten, dann war es Howard Hughes, der ihm Ratschläge gab. Er sagte ihm, dass er eine viel zu hohe Meinung von den Frauen habe, dass sie nicht ihn liebten, sondern nur hinter seinem Geld und seinem Ruhm her seien. Ich glaube, er hat sich Männern immer näher gefühlt als Frauen. Aber darüber sprach er nicht mit mir, er dachte sicher, ich sei noch zu jung dafür. Jedenfalls war er ein sehr viel komplizierterer Mensch, als er es sich anmerken ließ …«
»Das ist doch genau das, was Ihnen seine Garderobiere gesagt hat, erinnern Sie sich? ›Ihn zu sehen bedeutet, ihn zu lieben, und ihn zu lieben bedeutet, ihn niemals zu kennen …‹«
»Je länger ich ihn kannte, desto weniger wusste ich, wer er war, und desto mehr liebte ich ihn … Und ich verlor immer mehr den Boden unter den Füßen. Eines Tages gestand er mir, dass es in Hollywood jemanden gebe, der ihn hasste. Das war Frank Sinatra …«
»Und warum?«
»Sie hatten einen Film zusammen gedreht. Stolz und Leidenschaft von Stanley Kramer. Die Dreharbeiten hatten im April 1956 begonnen, und am Ende der ersten Woche war Cary bis über beide Ohren in seine Partnerin Sophia Loren verliebt. Und sie auch in ihn. Sie war kaum zweiundzwanzig, er dreißig Jahre älter, außerdem war sie mit Carlo Ponti liiert. Das hat Cary jedoch nicht aufgehalten! Er hat ihr einen Heiratsantrag gemacht. Sie hat nicht sofort abgelehnt … Sie waren verrückt nacheinander. Bei Kussszenen konnten sie einfach nicht aufhören. Der Regisseur schrie, Cut, Cut!, und sie küssten sich einfach weiter. Frank Sinatra raste vor Eifersucht! Er hatte sich ebenfalls in die schöne Sophia verknallt und wollte sie ins Bett bekommen. Deshalb hat er überall herumerzählt, Cary sei in Wahrheit homosexuell … und sie hat ihn vor allen anderen beschimpft, halt gefälligst die Klappe, du italienisches Arschloch, und Sinatra ist wutschnaubend vom Set verschwunden. Er hat das gesamte Team stehen lassen und ist nie mehr zurückgekommen … Cary musste während der restlichen Dreharbeiten mit einem Kleiderbügel reden, der Sinatra darstellte! Das hat er mir in seiner großen Hotelsuite erzählt und dabei gelacht, und ich weiß nicht, wieso mir das so furchtbar peinlich war. Ich dachte, vielleicht hatte Sinatra ja recht, und Cary zog wirklich Männer vor … Aber er hat immer wieder geheiratet! Fünfmal insgesamt!«
»Das hat nichts zu bedeuten«, entgegnete Joséphine. »In Hollywood war Homosexualität verpönt … Viele Schauspieler gingen deshalb Scheinehen ein.«
»Das weiß ich, und ich glaube, ich wusste es auch damals schon … Auch wenn ich sehr unschuldig war, gab es Dinge, die mich irritierten. Seine lange Freundschaft mit Randolph Scott zum Beispiel. Sie haben immerhin zehn Jahre zusammengewohnt und waren unzertrennlich … Er hat ihn bei seiner ersten Ehe mit Virginia Cherrill sogar auf die Hochzeitsreise mitgenommen! Aber ich glaube, ich wollte es überhaupt nicht wissen. Es war schon schlimm genug für mich, mir einzugestehen, dass ich einen Mann liebte, aber einen Mann, der ›anders war‹, wie man damals sagte, das hätte mich in einen Abgrund gestürzt … Mir waren die Momente lieber, in denen wir zusammen lachten. Er war ein sehr witziger Mann. Jede Kleinigkeit verwandelte er in eine Komödie. Er sagte immer, man müsse das Leben anlächeln, damit es zurücklächelt. Und er hatte ein ganz besonderes Talent dafür … Wenn ich mich über meine Eltern beklagte, schüttelte er mich. Hör auf zu jammern!, sagte er. Sonst ziehst du noch alles Unglück an, das da draußen herumschwirrt … Er lenkte mich ab. Er brachte mir bei, elegant zu sein. Sein eigener Lehrmeister war der große Fred Astaire gewesen. Er behauptete, es gebe keinen eleganteren Mann als ihn. Fred Astaire putzte seine Schuhe mit Erde aus dem Central Park, Spucke und Ohrenschmalz! Cary machte alles genauso wie er. Er bestellte seine Anzüge bei einem Schneider in der Londoner Savile Row, nahm sie aus ihrer
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