Montags sind die Eichhörnchen traurig: Roman (German Edition)
ihr lieber gewesen. Nicht diese ewige Leier eines Regenwurms, der sich in einen Stern verliebt und diesem vorwirft, dass er zu hoch über ihm funkelt … Sie kaute auf der Kappe ihres Stifts herum und wartete ungeduldig darauf, dass es Zeit wurde, wieder nach oben zu gehen.
Je länger sie Monsieur Boisson zuhörte, desto klarer wurde ihr, dass ihr eigener Kleiner Mann, der Kleine Mann ihres Romans, großzügiger sein würde, weniger ichbezogen, dass er etwas anderes aus dieser wundervollen Beziehung bewahrt haben würde als dieses ewige Vergleichen, dieses ewige Jammern, dieses ewige Lamento, dass er nun mal kein Glück gehabt habe.
Je länger sie ihm zuhörte, desto weniger wollte sie von ihm hören.
Je länger sie ihm zuhörte, desto lieber mochte sie Cary Grant.
Madame Boisson würde bald nach Hause kommen.
Sie würden schweigend zu Abend essen. Sie würden fernsehen, Seite an Seite, jeder in seinem Sessel, ohne ein Wort zu wechseln, und dann würden sie schlafen gehen.
Und bald würde er sterben.
Ohne je etwas an seinem Leben verändert zu haben oder auch nur das geringste Risiko eingegangen zu sein …
Die Trompete ließ sich nicht davon abbringen: Jemand war in ihre Schublade eingebrochen.
»Was denn für eine Schublade?«, fragte Chaval, der ihr gegenüber am Tisch saß. Er hatte sie in ein Restaurant in der Rue Poulbot 5, gleich neben der Place du Tertre, eingeladen.
Nicht freiwillig. Sie hatte ihm keine Wahl gelassen. Hatte ihn nachmittags angerufen. Ich sehe Sie kaum noch, hatte sie gejammert, Sie vernachlässigen mich, was habe ich getan, um diese plötzliche Missachtung zu verdienen? Nichts, meine Liebe, hatte er geantwortet, nichts, ich bin beschäftigt, das ist alles, meine arme Mutter wird immer schwächer, die Untätigkeit belastet mich, die Zeit vergeht … Die Menschen sagen, die Zeit gehe dahin, und die Zeit sagt, die Menschen gehen dahin. Leid ist ein Hund, der nur die Armen beißt … Er hatte geseufzt, um das gewaltige Ausmaß seiner Qualen zu unterstreichen und seinen abrupten Sinneswandel zu rechtfertigen. Sie hatte nicht lockergelassen. Sie brauchte seine Hilfe. Etwas machte ihrem Gewissen zu schaffen, sie musste mit einem klugen Mann darüber reden. Chaval hatte die Ohren gespitzt. Bezog sich dieses Etwas auf die Firma? Ja, hatte sie ins Telefon geflüstert. Sofort hatte er sie eingeladen, sich mit ihm im Restaurant »La Butte en vigne« zu treffen, wenn die Glocken der Basilika acht läuteten.
»Was denn für eine Schublade?« wiederholte Chaval, der nicht verstehen wollte und doch nur zu gut verstand.
»Die Schublade an meinem Schreibtisch … die, in der ich die wichtigen Unterlagen aufbewahre. Die geheimen Zugangsdaten zu Monsieur Grobz’ Privatkonten. Das ist die Mappe, die durchsucht wurde, ich bin mir ganz sicher.«
»Ach was!«, widersprach Chaval. »Das ist unmöglich … René und Ginette passen doch auf, und es gibt eine Alarmanlage …«
»In meine Schublade wurde eingebrochen«, wiederholte die Trompete, mit leerem Blick auf die Speisekarte starrend, das kleine Kinn eigensinnig vorgeschoben. »Ich bin mir ganz sicher …«
»Sie lesen zu viele Bücher über Komplotte, Menschenraub und Entführung … Sie müssen Ihre glühende Fantasie bremsen«, beschied er sie und wischte ihre Worte mit dem Handrücken beiseite. »Lesen Sie lieber die Zollverwaltungsrichtlinien, das rückt Ihnen den Kopf wieder zurecht!«
»Sie glauben, ich bilde mir das alles nur ein …«
»Ich glaube das nicht, ich bin mir sicher! Mein Gott, beruhigen Sie sich!«
Dann fügte er in sanfterem Ton hinzu: »Hast du schon gewählt, mein süßer, goldener Pirsich?«
Sie ließ den Blick über die Karte gleiten, ohne etwas zu lesen, und beharrte: »Ich bin mir ganz sicher … Ich lege immer einen Bleistiftspitzer auf das O von Grobz … Und als ich heute Morgen die Schublade geöffnet habe, lag der Spitzer auf dem A von Marcel. Er kann sich ja nicht von selbst verschoben haben!«
»Such dir eine Vorspeise und ein Hauptgericht aus, mein süßer, goldener Pfirsich! Vergiss die Arbeit … Es ist nicht sehr schmeichelhaft für mich, dass du deine Bürosorgen an diesen zauberhaften Ort mitbringst, an dem ich dich mit sanften Worten betören wollte! Sieh nur, wie jämmerlich du dreinschaust! Glaubst du etwa, das ist angenehm für mich?«
Gereizt klappte er die Speisekarte zu.
Denise Trompet ließ den Kopf hängen. Zwang sich, die Speisekarte zu lesen. Lächelte, als sie eine Vorspeise entdeckte,
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