Montana Creeds - Soweit die Sehnsucht trägt (German Edition)
Selbst, wenn das Gegenteil der Fall war.
Aber die Ranch war jetzt verlassen, die Scheune stand windschief da, und das robust gebaute alte Ranchhaus war seit Langem menschenleer. Als Kristy sich das letzte Mal gezwungen hatte, die Ranch aufzusuchen, und auf der Anhöhe stand, auf der sie mit ihrem geliebten Palomino-Wallach Sugarfoot geritten war, da hatte sie förmlich
spüren
können, wie ihr Herz in tausend Splitter zersprang.
Ihre Eltern waren beide tot, sie hatte keine Brüder oder Schwestern, keine Tanten – zuletzt war auch noch ihre Großtante Millie gestorben – oder Onkel und auch keine Cousins oder Cousinen.
Sugarfoot lebte gleichfalls nicht mehr, sondern lag in einem Grab inmitten einer Baumgruppe nahe der Grenze zur Creed-Ranch. Nach sechzehn Jahren, also mehr als der Hälfte ihres Lebens, musste Kristy immer noch weinen, wenn sie die letzte Ruhestätte ihres besten Freundes besuchte. Die Leute drängten sie, sich ein neues Pferd anzuschaffen, schließlich liebte sie es zu reiten und war darin außergewöhnlich gut. Aber sie brachte es einfach nicht übers Herz, ein anderes Tier oder einen anderen Menschen so sehr zu lieben und dabei einen weiteren Verlust zu riskieren.
Ihr war schon so viel genommen worden.
Ihre Eltern, Sugarfoot …
Und Dylan Creed.
“Kristy?” Der Sheriff sah sie besorgt an. “Vielleicht solltest du besser nach Hause gehen. Womöglich hast du dir irgendeinen Virus eingefangen. Ich kann den Damen vom Leseclub sagen, dass das Treffen verschoben werden muss.”
Sie brachte ein Lächeln zustande, straffte die Schultern und sah dem alten Freund ihres Vaters in die Augen. “Unsinn”, sagte sie. “Wir haben das schon einmal verschoben. Ich bin nur etwas müde, weiter nichts.”
Floyd war von ihren Beteuerungen nicht so ganz überzeugt, aber die ersten Teilnehmer seines Programms trafen soeben ein, also wandte er sich von Kristy ab und ging nach nebenan, um die Leute zu begrüßen. So machte er es seit Jahren an jedem Dienstagabend, seit Dorothy in diesen Unfall verwickelt worden war – und seit der Skandal die Runde gemacht hatte, dass er sich hinter dem Rücken seiner Frau mit Freida Turlow traf. Er hatte draußen auf der Ranch in der Küche von Kristys Vater gesessen und Tränen vergossen über den Schmerz, den Dorothy erlitten hatte – nicht nur bei jenem Unfall auf einer spiegelglatten Straße, sondern auch dadurch, dass er sie mit einer anderen Frau betrog.
Es war das erste und einzige Mal, dass Kristy, die sich im Flur versteckt hatte und lauschte, einen erwachsenen Mann hatte weinen sehen.
Ihr hilfsbereiter Vater hatte Floyd eine Hand auf die Schulter gelegt und gesagt: “Das ist der Alkohol, alter Freund. Der verwandelt dein Leben in einen solchen Scherbenhaufen. Meinst du, ich weiß nicht, dass du immer eine Flasche bei dir hast, wo du auch gehst und stehst? Du musst was dagegen tun.”
Und das hatte Floyd dann auch getan. Er schloss sich den Anonymen Alkoholikern an und sagte sich vom Alkohol los. Seitdem war er seiner Frau Dorothy treu gewesen, soweit Kristy das beurteilen konnte.
Kristy verließ die Kochnische und ging zurück in ihren Versammlungsraum, wo sich durch eine Laune des Schicksals ausgerechnet Freida Turlow als Erste eingefunden hatte.
Freida war eine athletische Frau, auf eine herbe Art attraktiv. Wie Kristy lebte auch sie schon ein Leben lang in Stillwater Springs. Vom College abgesehen hatte keine von ihnen für längere Zeit ihrer Heimatstadt den Rücken gekehrt.
Aber Kristy war auch ein heimatverbundener Typ. Sie hatte niemals woanders leben wollen, nicht einmal, nachdem ihre Eltern während ihres ersten Jahrs an der University of Montana innerhalb kurzer Zeit gestorben waren. Freida dagegen, die mindestens zehn Jahre älter war und sich an jenen wenigen Abenden als ihre Babysitterin um sie gekümmert hatte, wenn ihre Eltern tanzen gingen oder mit Freunden Karten spielten, wirkte in Stillwater Springs fehl am Platz. Sie war ehrgeizig und gebildet, und sie war praktisch die Chefin des örtlichen Maklerbüros. Ihr Bruder Brett war der klassische Verlierer, der auf ihrer Couch übernachtete und vor allem dadurch von sich reden machte, dass er ihr bei jeder Gelegenheit Bargeld klaute.
Heute Abend hatte Freida ihr dunkles, mittellanges Haar nach hinten gekämmt und zusammengebunden. Sie trug einen Jogginganzug und Laufschuhe, unter dem Arm hielt sie das Buch für diesen Abend geklemmt. So wie Kristy hatte auch Freida ihr Zuhause aus
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