Montana Creeds - Soweit die Sehnsucht trägt (German Edition)
Logan anrufen, das nahm er sich fest vor. Oder übermorgen. Oder am Tag danach …
Kristy Madison wirbelte durch ihre große Küche, öffnete eine Dose Katzenfutter für ihren Perserkater Winston, nahm ihre Notizen für das heutige Treffen des Leseclubs in der Bibliothek an sich und griff nach dem Handy auf dem Tresen, das sie dort während ihrer kurzen Mittagspause aufgeladen hatte.
Sie wünschte, sie könnte heute Abend zu Hause bleiben, ein ausgiebiges Bad nehmen und ein Buch lesen. Aber der Leseclub war schließlich ihre eigene Idee gewesen, und er hatte sich als ausgesprochen beliebt erwiesen. Bislang hatten sich schon sechsundzwanzig Teilnehmer eingetragen.
Insgeheim fragte sie sich, wie viele von ihnen eigentlich nichts anderes wollten, als die Frau genauer unter die Lupe zu nehmen, der Logan Creed sein Herz geschenkt hatte. Bevor Briana mit ihm zusammengekommen war, war sie nur eine alleinerziehende Mutter gewesen, die im Council Fire Casino am Stadtrand von Stillwater Springs arbeitete, ihre beiden Söhne Josh und Alec zu Hause unterrichtete und sich mehr oder weniger um ihre eigenen Angelegenheiten kümmerte.
Kristy biss sich auf die Unterlippe. Der Name Logan lenkte ihre Gedanken automatisch auf
Dylan
. Und das tat immer noch viel zu weh, auch wenn sie ihn vor fünf Jahren das letzte Mal gesehen hatte. Seit Kurzem war er zurück in der Stadt; die Klatschweiber hatten dafür gesorgt, dass sie auch ja davon erfuhr. Aber bislang war er nicht zu ihr gekommen. Und sie war ihrerseits zu stolz, hinter
ihm
herzulaufen.
Das Spiegelbild im Küchenfenster zeigte ihr eine schlanke Frau mit modisch geschnittenem, mittellangem Haar, kobaltblauen Augen und zierlichem Knochenbau. Doch sie hatte dunkle Ringe unter den Augen, ihre Frisur geriet allmählich aus der Form, und was bitte brachte einem ein zierlicher Knochenbau? Auf dem Foto für ihren Führerschein sah sie ganz gut aus, aber das war auch der einzige Vorteil, den sie bislang hatte feststellen können.
Winston ignorierte seinen Fressnapf, miaute laut und jämmerlich, während er sich an Kristys schwarzer Jeans scheuerte und ein Meer aus schneeweißen Haaren am Stoff zurückließ.
Oh nein! Jetzt musste sie schon wieder zum Fusselroller greifen.
Andere Frauen trugen Pfefferminz und Lippenstift in ihrer Handtasche mit sich herum, Kristy dagegen hielt stets ein Ding von der Größe einer Haarbürste griffbereit, das mit klebrigem Band umwickelt war.
“Ich weiß”, sagte sie leise zu Winston. “Du willst kuscheln und dir im Fernsehen eine Tiersendung ansehen, aber ich muss arbeiten gehen.”
Als Antwort darauf miaute Winston abermals, jetzt sogar noch deutlich kläglicher als zuvor.
“Du bekommst eine Extraportion Fisch, wenn ich nach Hause komme”, versprach sie ihm. “So spät wird das nicht werden, maximal halb zehn.”
Der Kater ließ sich davon nicht umstimmen und kehrte in die Küche zurück, wo er sich seinen Weg zwischen Farbdosen und Tapetenmustern hindurch bahnte. Er schnippte einmal verächtlich mit seinem buschigen weißen Schwanz und verschwand ins Esszimmer.
Es kam Kristy so vor, als sei sie schon seit einer Ewigkeit mit der Renovierung ihres großen viktorianischen Hauses beschäftigt. Sie war bereits daran gewöhnt, über die Einkäufe aus dem Baumarkt zu stolpern, doch ganz plötzlich kam ihr diese Arbeit wie eine niemals endende Qual vor. Nichts war mehr von dem Gefühl geblieben, mit der Renovierung etwas Gutes und Wichtiges zu leisten, wie sie es noch geglaubt hatte, als sie seinerzeit den Kaufvertrag unterschrieb.
“Ich bin mein Leben leid”, sagte sie zu ihrem Spiegelbild. “Ich will ein anderes haben.”
“Pech gehabt”, erwiderte das Spiegelbild. “Du hast dir das ausgesucht, jetzt musst du auch damit zurechtkommen. Und zwar allein.”
Ohne Ehemann, ohne Kinder.
Noch ein paar Geburtstage und eine Handvoll Katzen mehr, dann würde sie als verrückte alte Jungfer durchgehen. Die Kinder würden sie als Hexe bezeichnen und an Halloween einen großen Bogen um ihr Haus machen.
Kristy wandte sich von ihrem Spiegelbild ab, hängte sich die Handtasche über die Schulter, steckte das Handy, ihre Notizen und das Buch ein, das sie für das erste Treffen des Leseclubs ausgewählt hatte, und ging zur Hintertür.
Ganz gleich, wie trüb ihre Gedanken auch sein mochten – sobald sie die öffentliche Bibliothek von Stillwater Springs sah, besserte sich ihre Laune sofort. Das war auch heute Abend nicht anders. Sie liebte dieses
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