Montgomery & Stapleton 04 - Der Experte
Restaurant-Theke, nur daß er jetzt wieder in seinem typisch zerknitterten Outfit herumlief; keine Spur mehr von dem gebügelten Anzug und den gewienerten Schuhen.
»Habe ich Selbstgespräche geführt?« fragte Jack.
»Nein«, scherzte Lou. »Ich kann Gedanken lesen. Darf ich reinkommen?«
»Klar«, erwiderte Jack und zog einen der Besucherstühle, die er sich mit Chet teilte, näher an seinen Schreibtisch heran. Dann klopfte er einladend mit der Hand auf den Sitz.
Lou ließ sich schwerfällig nieder. Offenbar hatte er an diesem Morgen darauf verzichtet, sich zu rasieren.
»Falls du Laurie suchst«, begann Jack, »sie ist noch in der Grube.«
»Eigentlich wollte ich mit dir sprechen«, korrigierte Lou.
Jack runzelte die Stirn. »Ich fühle mich geschmeichelt. Was gibt’s denn?«
»Ich muß dir etwas gestehen«, erklärte Lou.
»Na, da bin ich ja gespannt«, entgegnete Jack.
»Vor lauter schlechtem Gewissen konnte ich fast die ganze Nacht nicht schlafen.«
»Kommt mir bekannt vor«, versuchte Jack ihn aufzumuntern. »Also, ich möchte nicht, daß du mich für einen miesen Typen hältst.«
»Ich werde mich bemühen!« Jack begann ungeduldig mit den Fingern zu trommeln.
»Normalerweise tue ich so etwas nämlich nicht. Das mußt du mir glauben.«
»Verdammt noch mal, Lou! Jetzt rück endlich raus mit der Sprache! Wie soll ich dir denn sonst die Absolution erteilen?« Lou sah hinunter auf seine gefalteten Hände und seufzte.
»Okay, laß mich raten«, sagte Jack. »Du hast masturbiert und hattest schmutzige Gedanken.«
»Ich mache keine Witze!« ereiferte Lou sich. »Die Sache ist todernst!«
»Dann sag doch endlich, was du Schlimmes verbrochen hast. Dann muß ich nicht raten.«
»Okay«, sagte Lou zerknirscht. »Ich habe den Namen Paul Sutherland durch den Polizeicomputer gejagt.«
»Das ist alles?« fragte Jack und tat übertrieben enttäuscht. »Ich hatte schon gehofft, jetzt etwas richtig Anstößiges von dir zu hören.«
»Damit habe ich meine Polizeiprivilegien mißbraucht.«
»Mag sein«, gab Jack zu. »Aber ich hätte das gleiche getan.«
»Ehrlich?«
»Absolut«, versicherte Jack. »Und? Was hast du herausgefunden?«
Lou beugte sich konspirativ vor und flüsterte: »Er ist vorbestraft.«
»Wegen etwas Ernstem?« fragte Jack.
»So ernst auch wieder nicht«, erwiderte Lou. »Kommt darauf an, wie du es siehst. Er wurde wegen Kokainbesitzes verurteilt.«
»Ist das alles?«
»Er ist mit einer gehörigen Menge erwischt worden«, fuhr Lou fort. »Nicht genug, um ihn der Dealerei zu bezichtigen, aber für eine anständige Party hätte es gereicht. Er hat keine Einwände gegen eine Verurteilung vorgebracht. Die Strafe ist gegen Auflage der Verrichtung von Gemeinschaftsdienst zur Bewährung ausgesetzt worden.«
»Hast du vor, Laurie davon zu erzählen?« fragte Jack.
»Ich weiß nicht«, gestand Lou. »Eigentlich wollte ich dich darum bitten.«
»Ach herrje!« stöhnte Jack und rieb sich die Stirn. Warum sollte er das übernehmen?
»Wenn ich ihr die Vorstrafen ihres Lovers auf die Nase binde, müßte ich mir wohl die Frage stellen, warum ich das tue«, sinnierte Lou.
Jack nickte. »Ich weiß, was du meinst. Mit genau dieser Frage könnte sie dich nämlich auch konfrontieren. Und dann könnte es passieren, daß sie ihre Wut an dir ausläßt. Schließlich wärst du der Überbringer der schlechten Nachricht.«
»Du hast es erfaßt«, stimmte Lou zu. »Aber immerhin ist Laurie gut mit uns befreundet. Vielleicht hat er ihr die Geschichte ja auch schon längst gebeichtet.«
»Meine Intuition sagt mir, daß er das nicht getan hat«, äußerte Jack seine Ansicht. »Er ist viel zu sehr von sich eingenommen.«
»Da kann ich dir nur zustimmen«, bestätigte Lou.
Aus dem Augenwinkel sah Jack jemanden in der Türöffnung stehen, der so groß war, daß er beinahe oben anstieß. Es war Ted Lynch aus dem DNA-Labor.
»Ich wollte nicht stören«, sagte Ted. »Ich wußte nicht, daß Sie Besuch haben.«
»Ist schon okay«, versicherte Jack und stellte ihm Lou vor. Doch die beiden kannten sich bereits.
»Ihre Frage geht mir einfach nicht mehr aus dem Kopf«, erklärte Ted.
»Sie meinen, wie stark das blaue Sternchen mit dem Anthraxerreger kontaminiert ist?«
»Genau«, antwortete Ted aufgeregt. »Es gibt eine Möglichkeit, es herauszufinden – und zwar mit der sogenannten Taq-Man-Technologie. Das ist ein neuer Trick, den man bei der PCR anwenden kann.«
»Was heißt noch mal PCR?« fragte
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