Montgomery & Stapleton 04 - Der Experte
aus dem Kanalsystem austritt?«
»Du hast recht«, gab Jack zu. »Aber jetzt mußt du dir unbedingt auch noch mein weiteres Rätsel anhören.« Er berichtete ihr von dem winzigen Glitzersternchen, das Ted Lynch in seinem Labor untersucht hatte. »Es ist, als ob das Sternchen aus klebrigem Fliegenfänger-Material hergestellt und in eine Schale mit Anthraxsporen getunkt worden wäre.«
»Wieso bekommst eigentlich immer du die interessanten Fälle?« Laurie scherzte.
»Jetzt mal im Ernst«, entgegnete Jack. »Kannst du dir das erklären? Immerhin habe ich um das Sternchen herum von allen Utensilien Proben genommen, sogar von der Kladde, auf der es lag, und von der Schreibtischoberfläche. Der PCR-Test reagiert so sensibel, daß er schon ein paar vereinzelte Sporen ausfindig macht. Aber bis auf das Sternchen war alles sauber.«
»Ich bin schon wieder überfragt«, stellte Laurie fest. Dann warf sie einen Blick auf die Uhr. »Es ist außerdem nach Mitternacht. Noch länger raube ich uns aber nicht den Schlaf.« Sie stand auf.
»Bist du denn soweit okay?« fragte Jack. »Du kannst gerne hier übernachten. Ich überlasse dir sogar das Bett. Ich schlafe sowieso jeden zweiten Abend auf dem Sofa ein.«
»Danke für das Angebot«, entgegnete Laurie. »Deine Gesellschaft hat mir gutgetan, aber ich sollte jetzt wirklich nach Hause fahren. Außerdem habe ich weder Sachen zum Anziehen für morgen noch sonst irgend etwas dabei.«
»Das mußt du selber wissen«, sagte Jack. »Du kannst gern bleiben. Aber wenn du fährst, mußt du mir versprechen, kurz durchzurufen, sobald du zu Hause bist. Um diese Uhrzeit ist es auch in deiner Umgebung nicht ganz ungefährlich.«
»Das mache ich«, versprach sie und umarmte Jack zum Abschied.
Jack begleitete sie die Treppe hinunter und ging mit ihr bis zur nächsten Straßenecke. An der Central Park West war es wesentlich einfacher, ein Taxi zu bekommen.
Während der Fahrt in Richtung Downtown dachte Laurie über den Abend nach. Jack war ein wirklicher Freund. Selbst wenn sie nur über ihre Arbeit gesprochen hatten, hatte die Unterhaltung mit ihm sie wieder zur Ruhe kommen lassen und ihr neue Perspektiven aufgezeigt. An dem unangenehmen Zwischenfall mit Paul mißfiel ihr vor allem, daß sie nicht mit ihm reden konnte. Sie hielt sich durchaus für tolerant genug, gewisse Dinge in einer Beziehung hinzunehmen, auch wenn sie ihr nicht gefielen; allerdings schloß das nicht den möglicherweise illegalen Waffenhandel ein. Und wenn Paul und sie nicht zivilisiert miteinander kommunizieren konnten, sah sie für ihre Beziehung keine Zukunft, auch wenn sie sonst in vielen alltäglichen Dingen so gut zueinander zu passen schienen.
Als der Taxifahrer sich ihrer Wohnung näherte, grübelte sie schon wieder über Jacks letzte Fälle nach. Seine turbulente Geschichte aus dem Bestattungsinstitut brachte sie erneut zum Grinsen. Sie hoffte nur, daß sein unerlaubtes Treiben und sein Besuch in der Nebenstelle des Gerichtsmedizinischen Instituts von Brooklyn kein böses Nachspiel für ihn hatten. Dr. Bingham und Dr. Washington brachten seinen eigenwilligen Arbeitsmethoden nicht allzuviel Verständnis entgegen, auch wenn sie seine Intelligenz und Kompetenz zu schätzen wußten.
Kaum hatte sie begonnen, die diversen Schlösser an ihrer Wohnungstür zu entriegeln, da ging auch schon die Tür ihrer Nachbarin einen Spaltbreit auf. Wie immer bekam Laurie flüchtig das graue Kräuselhaar und die blutunterlaufenen Augen von Debra Engler zu sehen. Mrs. Engler hielt es für angebracht, Laurie daran zu erinnern, wie spät es war. Laurie antwortete nicht. Die neugierige Schnüffelei ihrer Nachbarin zu jeder Tages- und Nachtzeit war das einzige, was sie an ihrer Wohnsituation störte. Zum Zeichen ihrer Mißbilligung knallte sie die Tür laut hinter sich zu und verriegelte die Schlösser von innen. Sie hatte die Frau schon mehrmals in ihre Schranken verwiesen und ihr sogar unumwunden empfohlen, sich gefälligst um ihre eigenen Angelegenheiten zu scheren; doch Debra Engler ließ sich davon nicht einschüchtern.
Laurie streichelte Tom-2 und zog ihren Mantel aus. Ihr anhänglicher Birmakater bestand hartnäckig auf seinen Streicheleinheiten und wäre ihr an den Beinen hochgekrabbelt, hätte sie es gewagt, sich zuerst den Mantel auszuziehen. Um unbehelligt bei Jack anrufen zu können, mußte sie den schnurrenden Kater auf den Schoß nehmen.
»Bist du noch wach?« fragte Laurie, als Jack sich mit schläfriger Stimme
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