Montgomery & Stapleton 04 - Der Experte
vom Dienst suspendiert zu sein.
Nachdem er nur mit Mühe eingeschlafen war, war er am Morgen zu allem Übel auch noch früher aufgewacht als sonst. Weiter über seine diversen Probleme grübelnd, radelte er schon im Morgengrauen zur Arbeit. So konnte er sich wenigstens eine Stunde seiner Büroarbeit widmen, bevor er sich hinunter in den ID-Raum begab.
Als er ankam, setzte Vinnie Amendola gerade die Kaffeemaschine in Gang. Dr. Fontworth war im Begriff, sich die während der Nacht eingelieferten Fälle vorzuknöpfen.
»Entschuldigung, George«, wandte sich Jack an seinen Kollegen. »Haben wir heute viele Obduktionen? Oder wird es ein ruhiger Tag?«
Dr. Fontworth musterte mit schläfrigen Augen die Liste der eingelieferten Opfer.
»Ich würde sagen, es sind normal viele.«
»Gut«, entgegnete Jack. »Wenn’s Ihnen nichts ausmacht, würde ich gern einen Schreibtischtag einlegen.« An sogenannten Schreibtischtagen nahmen die Gerichtsmediziner keine neuen Autopsien vor, sondern widmeten sich den ganzen Tag der Aufarbeitung des nie endenden Papierkriegs. Normalerweise wurden Schreibtischtage allerdings im voraus festgelegt.
»Was ist los?« fragte Dr. Fontworth. »Sind Sie krank?«
Die Frage war nicht sarkastisch gemeint. Jack war im Institut bekannt als Arbeitstier. Er nahm mehr Obduktionen vor als irgendeiner seiner Kollegen, und das freiwillig. Wenn man ihn fragte, warum er sich abrackerte, erwiderte er, daß die Arbeit ihm guttue und ihm Probleme vom Hals halte.
»Nein«, entgegnete Jack. »Ich bin gesund. Aber auf meinem Schreibtisch türmen sich die Aktenberge.«
»Im Augenblick spricht nichts dagegen«, stimmte Dr. Fontworth bereitwillig zu. »Es sei denn, es meldet sich in letzter Minute jemand krank. Dann müßten Sie einspringen.«
»Okay«, entgegnete Jack. »Wenn Sie mich brauchen, rufen Sie einfach kurz durch.«
Er ging zur Kaffeemaschine.
»Na, Maestro, hast du den Kaffee schon fertig?« fragte er Vinnie.
»In zwei Sekunden kannst du eine Tasse haben«, versprach dieser.
»Hast du eine Ahnung, wann Peter Letterman normalerweise morgens anfängt?« fragte Jack.
»Offiziell beginnen sie im Toxikologie-Labor erst um neun«, erklärte Vinnie. »Aber ich weiß zufällig, daß Peter meistens früher kommt, oft sogar schon vor acht.«
»Meine Herren«, staunte Jack. »Hat der Mann kein Zuhause?«
»Das mußt gerade du sagen«, zog Vinnie ihn auf.
Die Kaffeetasse vor sich her balancierend, machte Jack sich auf den Weg nach oben in sein Büro. Vor dem Fahrstuhl erblickte er Laurie, die gerade zur Tür hereinkam. Er sah überrascht auf die Uhr. So früh ließ sie sich normalerweise nie im Institut blicken.
»Bist du aus dem Bett gefallen?« fragte er.
»Sieht so aus«, gestand Laurie. »Ich fange gerade ein neues Leben an. Ich habe beschlossen, mich eine Zeitlang ausschließlich auf meine Arbeit zu konzentrieren. Das tue ich immer, wenn ich mich über etwas geärgert habe.«
»Verstehe«, entgegnete Jack. Er überlegte, ob er sie fragen sollte, worüber sie sich geärgert hatte.
»Danke noch einmal für gestern abend«, sagte Laurie. »Du hast mir wirklich geholfen.«
»Aber ich habe doch gar nichts gemacht«, widersprach Jack. »Immerhin warst du für mich da«, erklärte Laurie. »Ich habe mich sehr wohl bei dir gefühlt. Du warst wie ein richtiger Freund, und genau das brauchte ich gestern.«
Sie bestiegen den Fahrstuhl. Jack drückte den Knopf für die vierte Etage.
»Möchtest du mir vielleicht erzählen, was bei eurem Dinner gestern abend passiert ist?« fragte Jack vorsichtig.
Laurie grinste. »Noch nicht. Ich muß noch eine Weile darüber nachdenken. Aber danke der Nachfrage.«
Jack lächelte und verlagerte sein Gewicht aufs andere Bein. Laurie schaffte es immer wieder, ihn in Verlegenheit zu bringen.
»Versuchst du heute mit deinen mysteriösen Fällen weiterzukommen?« erkundigte sie sich.
»Ja«, erwiderte Jack. »Ist dir zu Connie Davydov noch irgend etwas eingefallen?«
»Nur das, was ich dir gestern nacht schon am Telefon gesagt habe.«
»Wenn du noch eine Idee hast, laß es mich wissen!« bat Jack. »Schließlich muß ich die Kopfgeldjäger einigermaßen in Schach halten.«
Laurie nickte. Sie wußte, worauf Jack anspielte.
Sie gingen den Flur entlang und blieben vor Jacks Bürotür stehen.
»Ich möchte dir noch etwas sagen«, begann Laurie. »Es tut mir leid, daß ich dich und Lou gestern nachmittag so mies behandelt habe. Natürlich war ich nicht besonders erfreut,
Weitere Kostenlose Bücher