Montgomery u Stapleton 03 - Chromosom 6
noch ungeduldiger zu werden. »Warum setzt du dich nicht einfach vor den Fernseher und läßt mich in Ruhe?«
»Möchtest du vielleicht ein Toastbrot oder ein Schälchen Müsli?« bohrte Darlene hartnäckig weiter.
»Jetzt laß mich endlich in Ruhe!« schrie Raymond sie an und richtete sich viel zu schnell auf. Den Eisbeutel in der Hand, starrte er sie mit vorstehenden Augen und gerötetem Gesicht an.
»Wenn ich hier nicht erwünscht bin, gehe ich eben«, entgegnete Darlene beleidigt. Als sie gerade den Raum verlassen wollte, klingelte das Telefon. »Soll ich abnehmen?« fragte sie und drehte sich zu Raymond um.
Er nickte und bat sie, den Anruf im Arbeitszimmer entgegenzunehmen. Falls der Anruf für ihn sei, fügte er hinzu, solle sie nicht jedem auf die Nase binden, daß er zu Hause sei, denn er wolle mit niemandem sprechen.
Als Darlene in Richtung Arbeitszimmer verschwand, seufzte er erleichtert und packte sich die Eiswürfel wieder auf die Stirn. Dann legte er sich zurück und versuchte, zu entspannen. Doch er hatte kaum eine gemütliche Lage gefunden, als Darlene schon wieder im Zimmer stand.
»Es war gar nicht das Telefon«, erklärte sie. »Es war die Haussprechanlage. Unten steht ein Mann, der mit dir reden will. Er heißt Franco Ponti und behauptet, es sei wichtig. Ich habe ihm gesagt, daß ich mal nachsehen werde, ob du da bist. Was soll ich ihm ausrichten?«
Raymond setzte sich steil auf. Er spürte, wie ihn eine neue Welle von Panik überrollte. Im Augenblick konnte er den Namen nicht einordnen, doch irgendwie mißfiel ihm schon der Klang. Dann fiel es ihm plötzlich wie Schuppen von den Augen. Franco Ponti war einer von Vinnie Dominicks Leuten; er war am vergangenen Vormittag zusammen mit dem anderen Mafioso in seinem Apartment gewesen.
»Was denn nun?« drängte Darlene.
»Ich spreche mit ihm«, erwiderte Raymond und schluckte hart. Dann griff er hinter das Sofa, wo sich ein Nebenanschluß befand. Mit einem kurzen »Hallo« versuchte er so viel Selbstsicherheit wie möglich in seine Stimme zu legen. »Wie geht’s, Doc?« meldete sich Franco. »Hätte mich aber auch wirklich enttäuscht, wenn Sie nicht zu Hause gewesen wären.«
»Ich wollte gerade ins Bett gehen«, entgegnete Raymond. »Finden Sie es nicht ein bißchen spät für einen Besuch?«
»Für die späte Stunde entschuldige ich mich«, sagte Franco. »Aber Angelo Facciolo und ich müssen Ihnen unbedingt etwas zeigen.«
»Warum zeigen Sie es mir nicht morgen?« fragte Raymond. »Zum Beispiel zwischen neun und zehn.«
»Nein«, entgegnete Franco. »So lange können wir nicht warten. Kommen Sie runter, Doc! Machen Sie’s uns doch nicht so schwer! Es ist Vinnies ausdrücklicher Wunsch, daß wir Sie aus nächster Nähe mit unseren Serviceleistungen bekannt machen.«
Raymond suchte krampfhaft nach einer Entschuldigung, doch in seinem Kopf hämmerte es so heftig, daß ihm einfach nichts einfallen wollte.
»Nur zwei Minuten«, drängte Franco. »Mehr verlangen wir gar nicht von Ihnen.«
»Ich bin entsetzlich müde«, entgegnete Raymond. »Ich fürchte…«
»Jetzt hören Sie mir mal zu, Doc!« fiel Franco ihm ins Wort. »Ich muß darauf bestehen, daß Sie runterkommen - oder es wird Ihnen sehr leid tun. Ich hoffe, ich habe mich klar genug ausgedrückt.«
»Schon gut«, entgegnete Raymond. Er sah ein, daß ihm wohl nichts anderes übrigblieb. Schließlich war er nicht so naiv zu glauben, daß Vinnie Dominick und seine Leute leere Drohungen aussprachen.
»Ich komme sofort.« Er ging zur Garderobe und zog sich seinen Mantel an. »Du gehst nach draußen?« fragte Darlene verblüfft. »Ich habe wohl keine andere Wahl«, erwiderte Raymond. »Wahrscheinlich sollte ich froh sein, daß ich sie nicht hier oben empfangen muß.«
Während er mit dem Fahrstuhl nach unten fuhr, versuchte er sich zu beruhigen, doch da seine Kopfschmerzen jetzt noch schlimmer geworden waren, war das nicht gerade einfach. Unerwartete, unwillkommene Besuche dieser Art gehörten definitiv zu den Dingen, die ihm das Leben schwermachten. Er hatte keine Ahnung, was diese Männer ihm zeigen wollten; wahrscheinlich wollten sie mit ihm darüber sprechen, wie sie mit Cindy Carlson verfahren sollten.
»Guten Abend, Doc«, sagte Franco, als Raymond aus der Tür trat. »Tut mir leid, daß wir Ihnen Umstände machen.«
»Machen wir’s kurz«, entgegnete Raymond selbstbewußt, obwohl ihm in Wirklichkeit äußerst unbehaglich zumute war. »Es wird kurz und befriedigend für
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