Montgomery u Stapleton 03 - Chromosom 6
Sie werden, das verspreche ich Ihnen«, sagte Franco. »Wenn Sie mir bitte folgen würden.« Er zeigte zur Straße, wo die Ford-Limousine am Fahrbahnrand neben einem Feuerhydranten parkte. Angelo lümmelte sich neben dem Kofferraum und rauchte.
Raymond folgte Franco zum Auto. Angelo trat einen Schritt zur Seite.
»Wir möchten Sie bitten, einen schnellen Blick in den Kofferraum zu werfen«, erklärte Franco, als sie das Auto erreicht hatten. Dann hantierte er mit dem Schlüssel. »Kommen Sie hierher, dann sehen Sie besser. Das Licht ist nicht besonders gut.« Raymond trat in die Lücke zwischen dem Ford und dem dahinter parkenden Auto. Er stand ganz dicht vor dem Kofferraum, als Franco den Deckel hochhob.
Im nächsten Augenblick glaubte Raymond, sein Herz würde aussetzen. Zusammengekrümmt im Kofferraum lag die gespenstisch aussehende Leiche von Cindy Carlson. Genau in dem Moment, als er sie flüchtig betrachtete, bemerkte er hinter sich ein Blitzlicht. Taumelnd trat er zurück. Der Anblick des fettleibigen Mädchens mit dem fahlen Gesicht hatte sich auf alle Zeiten in sein Gehirn eingemeißelt. Er fühlte sich elend, und ihm war schwindelig von dem Blitzlicht, das, wie er schnell erkannte, von einer Polaroid-Kamera verursacht worden war. Franco schloß den Kofferraum und wischte sich die Hände ab.
»Wie ist das Foto geworden?« wandte er sich an Angelo. »Eine Minute noch«, erwiderte Angelo, der den Abzug an den Rändern festhielt und darauf wartete, daß sich das Bild entwickelte.
»Nur noch einen Augenblick«, sagte Franco daraufhin zu Raymond.
Raymond stöhnte unwillkürlich auf, während er angestrengt seinen Blick umherschweifen ließ. Er hatte panische Angst, daß irgend jemand die Leiche gesehen haben könnte. »Sieht gut aus«, rief Angelo und reichte Franco das Foto, der derselben Meinung zu sein schien.
Franco hielt Raymond die Aufnahme zur Begutachtung hin. »Ich würde sagen, Sie sind von Ihrer besten Seite getroffen.« Raymond schluckte und betrachtete das lebensechte Abbild seines schockierten Gesichts, das sich über die grausig aussehende Leiche des Mädchens beugte.
Franco verstaute das Bild in seiner Tasche. »Das war’s schon, Doc«, sagte er. »Ich hatte Ihnen ja versprochen, daß wir Sie nicht lange aufhalten würden.«
»Warum haben Sie das getan?« brachte Raymond krächzend hervor.
»Es war Vinnies Idee«, erklärte Franco. »Er hielt es für das Beste, eine handfeste Erinnerung an den Gefallen zu haben, den er Ihnen erwiesen hat. Nur für alle Fälle.«
»Für welchen Fall?« wollte Raymond wissen. »Eben für alle Fälle«, entgegnete Franco und gestikulierte vage mit den Händen.
Franco und Angelo stiegen in den Wagen. Raymond trat auf den Bürgersteig und sah dem Ford hinterher, bis er um die nächste Straßenecke verschwand.
»Oh, mein Gott!« stöhnte er vor sich hin. Dann drehte er sich um und ging auf wackligen Beinen zurück zu seiner Haustür. Jedesmal, wenn er ein Problem gelöst hatte, kam ein neues hinzu.
Nach dem Duschen fühlte sich Jack wie neu geboren. Da Laurie ihm diesmal nicht ausdrücklich verboten hatte, mit dem Fahrrad zu fahren, beschloß er, eine späte Radtour zu machen. Er trat kräftig in die Pedalen und kam auf seinem Weg nach Süden flott voran. Da ihm sein unangenehmes Central-Park-Erlebnis aus dem vergangenen Jahr noch frisch in Erinnerung war, hielt er sich bis zum Columbus Circle auf der Central Park West. Am Columbus Circle bog er in die 59th Street ein, auf der er blieb, bis er die Park Avenue erreichte. Zu dieser späten Stunde herrschte auf der Park Avenue kaum Verkehr, so daß er auf dem Weg bis zu Lauries Straße nicht ein einziges Mal anhalten mußte. Er schloß sein Fahrrad mit etlichen Schlössern ab und ging zu Lauries Haustür. Bevor er klingelte, sammelte er sich einen Augenblick und überlegte sich, wie er gleich reagieren und was er sagen sollte.
Laurie erwartete ihn schon an der Tür. Sie strahlte über das ganze Gesicht und umarmte ihn überschwenglich, bevor er ein Wort sagen konnte. In der Hand hielt sie ein Glas Wein. »Wie siehst du denn aus?« fragte sie und trat einen Schritt zurück, um seine wilde Frisur zu mustern. »Ich habe vergessen, dir zu sagen, daß du bloß nicht mit dem Fahrrad kommen sollst. Erzähl mir nicht, du bist mit deinem neuen Drahtesel hier!« Jack zuckte schuldbewußt mit den Achseln. »Wenigstens bist du heile angekommen«, sagte Laurie. Dann zog sie den Reißverschluß seiner Lederjacke auf
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