Montgomery u Stapleton 03 - Chromosom 6
Da Warren und Spit in der gegnerischen Mannschaft gelandet waren und die beiden nie den Korb verfehlten, hatte Jack alle Spiele verloren. Die Mannschaft der beiden hatte auch das letzte Spiel gewonnen, das mit einem gekonnten Doppelpaß zu Ende gegangen war, der Spit die Möglichkeit zu einem eleganten Korbleger gegeben hatte. Mit wackligen Beinen ging Jack an den Spielfeldrand. Er hatte sich völlig verausgabt und schwitzte wie ein Stier. Er zog sein Handtuch aus dem Maschendrahtzaun, wo er es zuvor deponiert hatte, und trocknete sich das Gesicht. Sein Herz raste und pochte ihm stürmisch gegen die Brust.
»Na los, Kumpel!« rief Warren ihm vom Spielfeld aus zu, wo er mit seinen Füßen einen Ball hin- und herdribbelte. »Ein Spiel noch. Diesmal lassen wir dich auch gewinnen.«
»Verscheißer mich nicht, Alter!« rief Jack zurück. »Du läßt nie freiwillig jemanden gewinnen.« Er achtete darauf, sich auch sprachlich seiner Umgebung anzupassen. »Ich haue jetzt ab.« Warren kam herangeschlendert, hakte sich mit einem Finger am Maschendraht fest und lehnte sich gegen den Zaun. »Was ist eigentlich mit deiner shortie los?« fragte er. »Natalie quetscht mich ständig nach Laurie aus und geht mir schon langsam auf den Geist. Von euch beiden hört und sieht man nichts mehr.«
Jack sah Warren an. Dem makellosen Gesicht seines Basketballfreundes war nicht anzusehen, daß er schwitzte. Er schien nicht einmal schneller zu atmen. Dabei hatte er schon eine ganze Weile gespielt, bevor Jack dazugekommen war. Der einzige Hinweis dafür, daß er sich sportlich betätigt hatte, war ein winziges nasses Schweißdreieck auf der Vorderseite seines abgeschnittenen Sweatshirts.
»Du kannst Natalie bestellen, daß es Laurie gutgeht«, sagte Jack. »Wir haben uns eine Weile nicht gesehen. Es lag wohl größtenteils an mir. Ich wollte unser Verhältnis ein bißchen abkühlen lassen.«
»Aha«, grummelte Warren.
»Aber gestern abend war ich bei ihr«, fügte Jack hinzu. »Ich glaube, es geht wieder bergauf mit uns. Laurie hat sich übrigens auch nach dir und Natalie erkundigt.«
Warren nickte. »Willst du wirklich abhauen, oder spielst du noch eine Runde mit?«
»Mir reicht’s für heute«, stellte Jack klar. »Paß auf dich auf, Kumpel«, sagte Warren und stieß sich vom Zaun ab. Dann schrie er den anderen zu: »Auf geht’s, ihr faulen Säcke!«
Jack schüttelte ungläubig den Kopf. Warren tänzelte aufs Spielfeld zurück, als wäre nichts gewesen; er schien kein bißchen ausgelaugt zu sein. Dieser Mann hatte ein Durchhaltevermögen, um das Jack ihn beneidete.
Er zog sich sein Sweatshirt an und machte sich auf den Weg nach Hause. Seine Mannschaft hatte nicht ein einziges Spiel gewonnen, und obwohl ihn das während des Spiels zunehmend frustriert hatte, war es ihm jetzt völlig egal. Das harte Training hatte ihm den Kopf wieder freigepustet. In den eineinhalb Stunden, in denen er gespielt hatte, hatte er nicht ein einziges Mal an seine Arbeit denken müssen.
Doch kaum hatte er die 106th Street überquert, als ihm das Rätsel um die Wasserleiche erneut im Kopf herumspukte und ihn verrückt machte. Während er seine von Abfällen übersäte Treppe hinaufstieg, fragte er sich, ob Ted bei der DNA-Analyse nicht vielleicht doch ein Fehler unterlaufen war. Er selbst war jedenfalls nach wie vor davon überzeugt, daß dem Opfer eine Leber transplantiert worden war.
Er war gerade auf dem Treppenabsatz der zweiten Etage angelangt, als er ein Telefon schrillen hörte. Es mußte seins sein, denn Denise, die alleinerziehende Mutter, die ebenfalls auf seiner Etage wohnte, besaß kein Telefon. Mit einer letzten Kraftanstrengung quälte er seine müden Glieder eine weitere Treppe hinauf und hantierte ungeschickt an seinem Türschloß. Er hatte die Tür gerade aufgeschlossen, als auch schon sein Anrufbeantworter ansprang. Er konnte immer wieder kaum glauben, daß die Stimme, die er da hörte, seine eigene sein sollte.
Er lief zum Telefon, riß den Hörer von der Gabel und unterbrach damit den Ansagetext.
»Hallo«, röchelte er in den Hörer. Nach den eineinhalb Stunden auf dem Basketball-Court hatte ihm der Endspurt nach oben den Rest gegeben. Er war dem Kollaps nahe. »Erzähl mir bloß nicht, du kommst jetzt erst vom Basketball«, meldete sich Laurie. »Es ist schon neun Uhr. Dann bist du doch normalerweise längst zu Hause.«
»Ich war erst um halb acht von der Arbeit zurück«, erklärte Jack und japste zwischendurch nach Luft. Er
Weitere Kostenlose Bücher