Montgomery u Stapleton 03 - Chromosom 6
freuen.
»Ja«, erwiderte Laurie. »Was ist los mit dir? Bist du etwa nicht so fasziniert wie wir?«
»Doch«, erwiderte Jack und lachte vor Erleichterung. »Ich freue mich diebisch.«
»Ich weiß immer noch nicht, wann du es ernst meinst und wann nicht«, beklagte sich Laurie. Sie glaubte, einen Funken von Jacks typischem Sarkasmus in seiner Antwort erkannt zu haben.
»Für mich ist es die beste Neuigkeit der letzten Tage«, fügte Jack hinzu. »Wenn nicht sogar der letzten Wochen.«
»Nun übertreib nicht gleich wieder«, entgegnete Laurie und stellte den Fernseher und den Videorecorder aus. »Das war’s mit der Überraschung. Jetzt wird gegessen.« Beim Essen unterhielten sie sich darüber, warum nicht längst jemand in Erwägung gezogen hatte, daß es sich bei der Wasserleiche womöglich um Franconi handelte.
»Also, mich haben vor allem die Verletzungen durch die Schrotkugeln irritiert«, erklärte Laurie. »Schließlich ist Franconi nicht mit einem Schrotgewehr erschossen worden, das war klar. Und dann hat man die Leiche draußen vor Coney Island entdeckt. Wenn sie jemand aus dem East River gefischt hätte, wäre der Groschen bei uns vielleicht schon früher gefallen.«
»Ich habe mich wahrscheinlich aus den gleichen Gründen täuschen lassen«, sagte Jack. »Und als ich dann wußte, daß die Schrotkugel-Verletzungen dem Opfer erst nach seinem Tod zugefügt wurden, habe ich mich voll und ganz auf die Sache mit der Leber konzentriert. Ach übrigens - hat man Franconi eine Leber transplantiert?«
»Nicht daß ich wüßte«, erwiderte Lou. »Er war seit etlichen Jahren krank, aber ich habe keine Ahnung, was er hatte. Von einer Lebertransplantation habe ich jedenfalls nichts gehört.«
»Wenn man ihm keine Leber transplantiert hat, ist die Wasserleiche auch nicht Franconi«, stellte Jack klar. »Das DNA-Labor tut sich zwar noch schwer mit einer Bestätigung, aber ich bin absolut davon überzeugt, daß es sich bei der Leber der Wasserleiche um eine gespendete Leber handelt.«
»Wie könnt ihr Pathologen denn sonst beweisen, daß die Wasserleiche und Franconi ein und dieselbe Person sind?« fragte Lou.
»Wir können die Mutter um eine Blutprobe bitten«, erwiderte Laurie. »Wenn wir mitochondriales DNA miteinander vergleichen, das wir alle nur von unseren Müttern erben, können wir ganz klar sagen, ob die Wasserleiche Franconi ist. Die Mutter wird bestimmt einwilligen, denn sie ist schon mal bei uns im Institut gewesen, um ihren Sohn zu identifizieren.«
»Es ist wirklich zu dumm, daß der tote Franconi bei seiner Einlieferung nicht geröntgt wurde«, bemerkte Jack. »Dann hätten wir jetzt etwas in der Hand.«
»Aber es gibt Röntgenaufnahmen!« rief Laurie aufgeregt. »Das habe ich eben erst erfahren. Marvin hat die Leiche geröntgt.«
»Und wo, zum Teufel, sind die Röntgenbilder dann?« wollte Jack wissen.
»Wie mir Marvin erzählt hat, hat Bingham sie an sich genommen«, erwiderte Laurie. »Sie müssen in seinem Büro sein.«
»Dann würde ich vorschlagen, wir starten einen kleinen Überfall auf die Leichenhalle«, sagte Jack. »Diese Sache muß ich unbedingt klären.«
»Binghams Büro ist mit Sicherheit abgeschlossen«, gab Laurie zu bedenken.
»Ich würde sagen, die jetzige Situation rechtfertigt durchaus auch etwas kreativere Maßnahmen«, entgegnete Jack. »Stimmt«, sagte Lou. »Vielleicht ist das der entscheidende Durchbruch, auf den ich schon so lange warte.« Als sie zu Ende gegessen und die Küche aufgeräumt hatten - darauf hatten Jack und Lou bestanden -, nahmen sie sich ein Taxi und fuhren zum Gerichtsmedizinischen Institut. Sie betraten die Leichenhalle über die Laderampe und marschierten direkt in das Empfangsbüro.
»Du lieber Himmel!« rief Marvin, als er Jack und Laurie sah. Es kam fast nie vor, daß sich zwei Pathologen gleichzeitig am späten Abend blicken ließen. »Ist eine Naturkatastrophe passiert?«
»Wo sind die Hausmeister?« wollte Jack wissen. »Als ich sie zum letzten Mal gesehen habe, waren sie in der Grube«, erwiderte Marvin. »Jetzt mal im Ernst, was ist los?«
»Ich habe eine Identitätskrise«, griente Jack. Die drei machten sich auf den Weg in den Sektionssaal. Jack ging voran und riß die Tür auf. Marvin hatte recht gehabt; beide Hausmeister waren gerade dabei, den teuren Terrazzoboden zu wischen.
»Ich nehme an, ihr beiden habt Schlüssel zum Büro des Chefs«, begann Jack.
»Natürlich«, erwiderte Daryl Foster. Daryl arbeitete seit beinahe
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