Montgomery u Stapleton 03 - Chromosom 6
sagte Laurie und küßte ihren Fünf-Dollar-Schein. »Aber zuerst finde ich noch heraus, wie und warum die Leiche aus unserem Institut verschwunden ist.«
Obwohl er schon zwei Schlaftabletten genommen hatte, konnte Raymond nicht einschlafen. Um Darlene nicht zu stören, stahl er sich leise aus dem Bett. Allerdings mußte er sich um Darlenes Nachtruhe keine Sorgen machen, denn sie schlief normalerweise wie ein Stein und würde sich selbst durch eine einstürzende Wand nicht aufwecken lassen.
Er schlich in die Küche und knipste das Licht an. Er hatte zwar keinen Hunger, glaubte aber, daß ein Glas warme Milch seinem rumorenden Magen vielleicht ganz guttun würde. Seitdem die beiden Mafia-Typen ihn gezwungen hatten, einen Blick in den Kofferraum der Ford-Limousine zu werfen, litt er unter einem furchtbaren Sodbrennen. Er hatte es schon mit Maaloxan, Pepdd AC und schließlich sogar mit Pepto-Bismol probiert, doch nichts hatte geholfen.
In der Küche kannte Raymond sich nicht besonders gut aus, deshalb stellte er sich ziemlich ungeschickt an. Es dauerte seine Zeit, bis er die Milch erwärmt und ein passendes Glas gefunden hatte. Als er endlich soweit war, nahm er das Glas mit in sein Arbeitszimmer und setzte sich an den Schreibtisch.
Er hatte gerade ein paarmal an dem Glas genippt, als er feststellte, daß es bereits Viertel nach drei war. Obwohl er sich von den zwei Schlaftabletten ein wenig benebelt fühlte, kam ihm sofort in den Sinn, daß es in der Zone kurz nach neun war, eine gute Zeit also, um Siegfried Spallek anzurufen. Die Verbindung war in Sekundenschnelle hergestellt, denn um diese Uhrzeit telefonierte in Nordamerika fast niemand. Aurielo meldete sich bereits nach dem ersten Klingeln und stellte Raymond zu dem Zonenmanager durch. »Sie sind aber früh auf den Beinen«, stellte Siegfried fest. »Ich hätte Sie erst in vier oder fünf Stunden angerufen.«
»Ich konnte nicht schlafen«, entgegnete Raymond. »Was ist denn los bei Ihnen? Und wieso gibt es Probleme mit Kevin Marshall?«
»Ich glaube, die Sache hat sich schon erledigt«, erklärte Siegfried und resümierte die Ereignisse der vergangenen Nacht, wobei er hervorhob, daß Bertram Edwards ihn auf Kevin aufmerksam gemacht hatte und er ihn nur deshalb hatte beschatten lassen. Ferner fügte er hinzu, daß die Soldaten Kevin und seinen Freundinnen mit Sicherheit so einen Schrecken eingejagt hatten, daß sie sich nicht ein weiteres Mal in die Nähe der Insel wagen würden.
»Freundinnen?« hakte Raymond nach. »Habe ich da richtig gehört? Ich kenne Kevin Marshall eigentlich nur als Einzelgänger.«
»Er war mit der Reproduktionstechnologin und einer der OP-Schwestern zusammen«, erwiderte Siegfried. »Aber genau das hat uns hier auch gewundert. Er war doch immer so ein Schlemihl - oder wie nennt ihr Amerikaner jemanden, der in Gesellschaft anderer nicht zurechtkommt?«
»Einen Eigenbrötler«, sagte Raymond. »Genau«, entgegnete Siegfried.
»Ich nehme an, er wollte auf die Insel, weil er sich immer noch wegen dieser Rauchwolken Sorgen macht. Sehe ich das richtig?«
»Zumindest sieht Bertram Edwards das so«, erwiderte Siegfried. »Bertram hatte übrigens eine gute Idee. Wir wollen Kevin erzählen, daß ein paar Arbeiter auf der Insel waren, um eine Brücke über den Fluß zu bauen, der die Insel in zwei Teile teilt.«
»Aber das stimmt doch nicht«, warf Raymond ein. »Natürlich nicht«, sagte Siegfried. »Den letzten Arbeitertrupp haben wir rübergeschickt, als wir den Pfeiler für die ausfahrbare Brücke gebaut haben. Und dann hat Bertram natürlich ein paar Leute mit nach drüben genommen, als er die hundert Käfige auf die Insel transportiert hat.«
»Davon weiß ich ja gar nichts«, entgegnete Raymond. »Wieso hat er Käfige auf die Insel gebracht? Wovon reden Sie?«
»Bertram tritt seit einiger Zeit dafür ein, die Insel- und Isolationsidee wieder aufzugeben«, erklärte Siegfried. »Er ist dafür, die Bonobos in die Tiersektion zurückzuholen und sie dort irgendwie unter Verschluß zu halten.«
»Ich bestehe darauf, daß sie auf der Insel bleiben«, stellte Raymond mit Nachdruck klar. »Diese Vereinbarung habe ich vor Jahren mit GenSys getroffen, und dabei bleibt es. Wenn man bei GenSys erführe, daß wir die Tiere zurückgeholt haben, könnten sie das sogar zum Anlaß nehmen, das ganze Projekt fallenzulassen. Die Leute von GenSys haben eine Wahnsinnsangst vor schlechter Publicity.«
»Ich weiß«, sagte Siegfried. »Genau das
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