Montgomery u Stapleton 03 - Chromosom 6
Bemühungen vergeblich gewesen.
Normalerweise kam Kevin erst gegen halb neun ins Labor, doch an diesem Morgen war er schon um vier Uhr aufgewacht und hatte nicht mehr einschlafen können. Er hatte sich eine Dreiviertelstunde im Bett hin und her gewälzt und war dann zu dem Schluß gekommen, daß er die Zeit auch besser nutzen könnte, und so hatte er sein Labor heute bereits um fünf Uhr betreten, als es draußen noch stockfinster gewesen war. Es war sein Gewissen gewesen, das ihm den Schlaf geraubt hatte. Erneut hatte sich in ihm mit aller Vehemenz das quälende Gefühl breitgemacht, einen prometheischen Fehler begangen zu haben. Zwar hatte Dr. Lyons ihn kurzfristig beschwichtigt, als er ihn an sein zukünftiges eigenes Labor erinnert hatte, doch die Seelenruhe währte nicht lange. Selbst wenn er tatsächlich eines Tages sein Traumlabor besitzen sollte - er konnte seine Befürchtung einfach nicht ignorieren, daß auf Isla Francesca etwas Furchtbares im Gange zu sein schien. Diesmal rührten seine Panikgefühle nicht daher, daß er wieder Rauch gesehen hatte. Er hatte nach Einbruch der Morgendämmerung bewußt nicht aus dem Fenster gesehen, und erst recht hatte er es nicht gewagt, einen Blick in Richtung Isla Francesca zu werfen.
So konnte er nicht weitermachen, und er kam zu dem Schluß, daß es wohl am klügsten wäre, herauszufinden, ob seine Ängste begründet waren. Am besten, so überlegte er, würde er mit jemandem sprechen, der konkret mit dem Projekt befaßt war und vielleicht ein wenig Licht in das Dunkel seiner düsteren Vorahnungen bringen konnte. Allerdings hatte er in der Zone nicht gerade viele Kollegen, mit denen er unbeschwert reden konnte. Er war nie ein geselliger Mensch gewesen und hatte sich in Cogo, wo er der einzige Akademiker war, noch mehr zurückgezogen. Wenigstens gab es einen Mitarbeiter, mit dem er etwas besser zurechtkam, und das lag vor allem daran, daß er dessen Arbeit bewunderte: Es war Bertram Edwards, der leitende Tierarzt.
Entschlossen streifte Kevin sich den Laborkittel ab, hängte ihn über den Stuhl und verließ sein Büro. Er stieg die Treppe hinab ins Erdgeschoß und trat hinaus auf den nördlich des Krankenhauses gelegenen Parkplatz. Knallende Hitze schlug ihm entgegen, es war ein klarer Morgen. Am Himmel hingen ein paar Schönwetterwölkchen, doch in der Ferne zogen bereits düstere Regenwolken auf, die sich am westlichen Horizont über dem Ozean zusammengeballt hatten; falls sie Regen bringen sollten, dann frühestens am Nachmittag.
Kevin stieg in seinen Toyota mit Allradantrieb, verließ den Parkplatz und bog nach rechts ab. Er überquerte die Nordseite des Hauptplatzes und ließ die katholische Kirche hinter sich, die von GenSys restauriert und in ein Freizeitcenter umfunktioniert worden war. An Freitag- und Samstagabenden wurden Filme gezeigt, an Montagen wurde abends Bingo gespielt. Im Kellergeschoß gab es ein Fastfood-Restaurant, in dem unter anderem amerikanische Hamburger verkauft wurden. Das Büro von Bertram Edwards befand sich im tierärztlichen Zentrum, welches innerhalb des riesigen Tierkomplexes lag. Der gesamte Komplex war größer als Cogo selbst. Er lag nördlich der Stadt inmitten des dichten äquatorialen Regenwaldes und war durch einen Streifen unberührten Dschungels von der Stadt abgetrennt.
Kevin fuhr in östlicher Richtung, bis er die Autowerkstatt erreichte, und bog dann nach Norden ab. Wenn er bedachte, daß er sich hier im letzten Winkel der Welt befand, herrschte ziemlich viel Verkehr. Das geschäftige Treiben spiegelte die gewaltigen logistischen Schwierigkeiten wider, mit denen man bei einer Operation dieser Größenordnung konfrontiert war, wie sie in der Zone durchgeführt wurde. Alles mußte eingeführt werden, vom Toilettenpapier bis hin zu den Zentrifugalröhren. Jede Menge Güter mußten hin- und hertransportiert werden, die meisten wurden mit Lastwagen aus Bata herbeigeschafft, wo es einen einfachen Tiefseehafen und einen Flughafen gab, auf dem auch größere Flugzeuge landen konnten. Im Estuario del Muni, von wo aus man Libreville in Gabun erreichen konnte, verkehrten lediglich Motorkanus.
Am Ortsrand ging das Kopfsteinpflaster in eine neue geteerte Straße über. Kevin seufzte erleichtert auf. Der Lärm und die Vibration, die vom Kopfsteinpflaster verursacht und über das Lenkrad auf ihn übertragen wurden, machten das Fahren sehr anstrengend.
Nach einer fünfzehnminütigen Fahrt durch eine von dunkelgrünen Pflanzen
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