Montgomery u Stapleton 03 - Chromosom 6
- wir kennen uns jetzt seit fünf Jahren. Glauben Sie nicht, das reicht, um sich endlich beim Vornamen zu nennen?«
»Doch«, erwiderte Kevin. »Natürlich.«
»Sie haben übrigens mehr Glück als Verstand, daß Sie gerade jetzt kommen«, fuhr Bertram fort. »Was Sie hier sehen, sind unsere beiden neuesten Zuchtweibchen.« Er deutete auf die Affen, die sich vorsichtig wieder nach vorne wagten. Zwar hatte Kevins Ankunft ihnen einen Schrecken eingejagt, doch jetzt waren sie neugierig geworden.
Kevin starrte in die Gesichter der beiden Primaten. Sie sahen den Menschen aufsehenerregend ähnlich. Vor allem ihre im Vergleich zu den Schimpansen weiter zurückliegenden Oberkiefer verliehen ihren Gesichtern so menschliche Züge. Kevin fand es immer wieder beunruhigend, Bonobos in die Augen zu sehen.
»Sie sehen ziemlich gesund aus«, sagte er schließlich, weil er nicht wußte, was er sonst hätte erwidern sollen.
»Sie sind heute morgen mit dem Lastwagen aus Zaire gebracht worden«, berichtete Bertram. »Luftlinie sind das etwa tausendsechshundert Kilometer, aber der Fahrer mußte eine ziemlich umständliche Route nehmen, um die Grenzen von Kongo und Gabun passieren zu können. Wahrscheinlich haben sie deshalb eher dreimal so viele Kilometer hinter sich.«
»Das ist ja so weit wie einmal quer durch die USA«, bemerkte Kevin.
»Entfernungsmäßig ja«, erwiderte Bertram. »Aber hier unten gibt es ja so gut wie keine geteerten Straßen. Egal wie man’s betrachtet, die Strecke ist jedenfalls äußerst mühsam.«
»Die beiden sehen trotzdem so aus, als wären sie in ganz guter Verfassung«, sagte Kevin und fragte sich im stillen, wie er wohl selber nach so einer Reise aussehen würde, tagelang eingepfercht in einer Holzkiste auf der ruckelnden Ladefläche eines Lastwagens.
»Ich habe die Fahrer inzwischen ganz gut gedrillt«, erklärte Bertram. »Sie behandeln die Affen besser als ihre eigenen Frauen. Sie wissen nämlich genau, daß sie kein Geld bekommen, wenn die Tiere unterwegs sterben. Das ist ein ziemlich guter Anreiz.«
»Bei unserem ständig wachsenden Bedarf können wir die beiden gut gebrauchen«, bemerkte Kevin.
»Allerdings«, stimmte Bertram zu. »Die beiden hier sind schon vergeben, das wissen Sie ja. Wenn sie alle Tests bestehen, wovon ich ganz fest ausgehe, schauen wir in den nächsten Tagen in Ihrem Labor vorbei. Ich möchte nämlich unbedingt noch einmal zusehen. Sie sind wirklich ein Genie! Und Melanie… Also, ich habe noch nie jemanden mit einem so guten Augenmaß und so viel Fingerfertigkeit kennengelernt. Da kann nicht mal der Augenchirurg mithalten, den ich noch aus den USA kenne.«
Kevin wurde rot, als Dr. Edwards ihn derartig lobte. »Melanie hat wirklich Talent«, sagte er, um von sich selbst abzulenken. Melanie Becket war Reproduktionstechnologin, und GenSys hatte sie in erster Linie eingestellt, damit sie Kevins Projekt unterstützte.
»Ja, sie ist gut«, nickte Bertram. »Aber die wenigen von uns, die das Glück haben, an Ihrem Projekt teilzuhaben, wissen, daß Sie der wahre Held sind.«
Bertram überzeugte sich mit einem Blick auf den Gang und zu den Käfigen, daß keiner der in Overalls gekleideten Arbeiter in Hörweite war.
»Wissen Sie«, fuhr er dann fort, »als ich unterschrieben habe, hierherzugehen, waren meine Frau und ich davon ausgegangen, daß es uns bestimmt nicht schlechtgehen würde. Was das Geld angeht, hatte ich gedacht, der Job wäre vielleicht in etwa so lukrativ wie ein Posten in Saudi-Arabien. Aber in Wahrheit geht es uns besser, als ich es mir je erträumt hätte. Durch Ihr Projekt und die damit verbundenen Aktienbezugsrechte werden wir richtig reich! Und wie mir Melanie gestern erst erzählt hat, haben wir zwei weitere Kunden aus New York. Damit sind es schon über hundert!«
»Ich wußte noch gar nichts von zwei weiteren Kunden«, entgegnete Kevin.
»Nicht?« fragte Bertram. »Aber es stimmt. Ich habe Melanie gestern abend zufällig im Freizeitcenter getroffen, und da hat sie mir erzählt, daß sie mit Raymond Lyons telefoniert hat. Ein Glück, daß sie mich informiert hat, denn so konnte ich die Fahrer gleich nach Zaire zurückschicken, damit sie für Nachschub sorgen. Jetzt hoffe ich nur, daß unsere Pygmäen-Kollegen in Lomako ihren Teil der Vereinbarung einhalten können.«
Kevin sah noch einmal zu dem Käfig hinüber, in dem die beiden Weibchen hockten und seinen Blick erwiderten. Ihre flehenden Augen ließen ihm ganz warm ums Herz werden. Er wünschte
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