Montgomery u Stapleton 06 - Crisis
Sorgen!«
»Wirst du sie morgen früh obduzieren?«
»Ich glaube eher nicht, aber vielleicht ergibt sich die Möglichkeit ja doch. Das Problem ist, dass die Leiche noch unter der Erde liegt.«
»Jack!«, klagte Laurie und zog seinen Namen in die Länge wie Toffee. »Warum tust du mir das an?«
Er informierte Laurie über alle Einzelheiten des Falls und darüber, was an diesem Tag passiert war. Nur den Zwischenfall mit Franco ließ er aus. Laurie hörte zu und unterbrach ihn nicht ein einziges Mal, bis er fertig war. Dann verblüffte sie ihn, indem sie sagte: »Möchtest du, dass ich hochkomme und dir assistiere?«
Jack wünschte sich, er könne seine Arme über die Entfernung hinweg ausstrecken und sie dankbar an sich ziehen, und antwortete: »Danke für dein Angebot, aber das ist nicht nötig. Es dürfte kein schwieriger Fall werden, wenn nicht zu viel Wasser eingedrungen ist.«
»Sag einfach Bescheid. Ich bin sicher, dass wir es zusammen schnell hinter uns bringen würden.«
Nach etwas liebevollem Smalltalk und dem Versprechen, wieder anzurufen, sobald er mehr wisse, klappte Jack sein Handy zu. Er wollte sich gerade die Prozessakte auf den Schoß legen, als sein Blick erneut auf die Arzttasche fiel. Jack stand auf und ging zum Regal hinüber. Wie er es Alexis gegenüber angedeutet hatte, hielt er Hausbesuche für keine angemessene Art, als Arzt seine Zeit zu verbringen, da man dabei auf die Behandlung ohne diagnostische Geräte beschränkt war, die in einer gut ausgestatteten Arztpraxis zur Verfügung standen. Doch als ihm einfiel, dass in der Akte ein Schnelltest für Biomarker erwähnt war, mit dem man eine Herzinfarktdiagnose bestätigen konnte, kam ihm der Gedanke, dass sein Kenntnisstand möglicherweise veraltet war. In Wahrheit hatte Jack noch nie auch nur von einem solchen Test gehört und war neugierig, einmal einen Blick darauf zu werfen. Er zog die Tasche aus dem Regal und stellte sie auf Craigs Schreibtisch. Dann schaltete er die Lampe ein und ließ die Tasche aufschnappen. Sie öffnete sich wie ein Angelkasten, mit einer Vielzahl kleiner, prall gefüllter Fächer in zwei Lagen, die zur Seite wegschwenkten. Darunter war der Hauptbereich mit einer Sammlung von Instrumenten, unter anderem eine Blutdruckmanschette, ein Augenspiegel und ein Ohrenspiegel. Jack nahm den Augenspiegel heraus. Allein das Instrument in der Hand zu halten, brachte eine Flut von Erinnerungen zurück.
Er legte ihn zurück und sichtete die Fülle von anderem Material, darunter Infusionslösung, IV-Katheter, Thermometer, Notfallmedikamente, Gefäßklemmen, Kulturmedien und Verbandszeug. Ganz unten in der hinteren Ecke der Tasche fand er den Schnelltest. Er holte ihn heraus und las den Packungsaufdruck. In der Hoffnung auf einen Beipackzettel, der vielleicht aufschlussreicher wäre, öffnete er die Schachtel. Der Beipackzettel lag gleich obenauf.
Nachdem er ihn gelesen hatte, erkannte Jack, dass er seine Ansichten über Hausbesuche revidieren musste. Mit solchen Produkten, darunter auch neue und zuverlässige Blutzuckerspiegelmessgeräte, konnte ein Arzt im häuslichen Umfeld äußerst effizient arbeiten, vor allem mit dem tragbaren EKG-Gerät, das Jack neben der Arzttasche gesehen hatte.
Jack packte den Beipackzettel wieder ein und legte dann den Schnelltest zurück in die Tasche. Dabei fiel sein Blick auf ein leeres Atropinfläschchen und ein leeres Epinephrinfläschchen. Er fragte sich, ob sie wohl noch aus der Zeit stammten, als Craig Patience Stanhope behandelt hatte. Im Krankenbericht hatte er gelesen, dass beide Substanzen verwendet worden waren. Dann entdeckte er etwas, das seine Vermutung bestätigte: ein kleines Musterfläschchen des Antidepressivums Zoloft mit Patience Stanhopes Namen und der Anweisung: 6 St. – eine Tablette vor dem Schlafengehen. Jack öffnete das Fläschchen und zählte fünf hellblaue Tabletten. Er schraubte den Deckel wieder zu und legte das Fläschchen zurück. Dann holte er das Atropin und das Epinephrin heraus. Beide Fläschchen waren leer.
Plötzlich glaubte Jack, Schritte zu hören, die die Treppe herunterkamen, und mit einem Mal überkam ihn ein schlechtes Gewissen, weil er in privaten Dingen herumschnüffelte, auch wenn es nur eine Arzttasche war. Es war ein offensichtlicher Vertrauensbruch. In einem Anflug von Panik legte er die Fläschchen hastig zurück, schloss die Tasche und stopfte sie wieder ins Regal. Er schoss durch den Raum, sprang in seinen Sessel und zerrte das Material aus
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