Montgomery u Stapleton 06 - Crisis
nicht, indem Sie hier obduzieren, denn wir sind eine öffentliche Einrichtung, und ich glaube nicht, dass unser Chef so etwas erlauben würde. Aber wir könnten Ihnen Probengefäße und Fixiermittel zur Verfügung stellen und helfen, die Proben zu untersuchen. Außerdem könnten wir Ihnen mit toxikologischen Untersuchungen weiterhelfen, wenn das notwendig ist.«
»Ist das Bestattungsunternehmen auf dem Totenschein vermerkt?«
»Auf jeden Fall. Die Bestattung muss registriert werden. Wie war der Name noch mal?«
»Patience Stanhope. Sie ist vor ungefähr neun Monaten gestorben.«
Latasha setzte sich an ihren Computer und rief den Totenschein auf. »Da ist er. Am 8. September 2005, um genau zu sein.«
»Wirklich?«, fragte Jack. Er stand auf und schaute über Latashas Schulter auf das Datum. Es schien ein Zufall zu sein. Der 8. September 2005 war auch in seinem Leben von Bedeutung gewesen. An diesem Tag hatte das Essen bei Elio’s stattgefunden, bei dem er und Laurie sich verlobt hatten.
»Das Bestattungsunternehmen Langley-Peerson in Brighton hat sich um die Leiche gekümmert. Soll ich Ihnen die Adresse und Telefonnummer aufschreiben?«
»Danke«, sagte Jack. Er staunte immer noch über das Datum. Es setzte sich wieder hin. Er war nicht abergläubisch, aber dieser Zufall faszinierte ihn.
»Wie sieht denn Ihr Zeitplan aus? Wann ungefähr wollen Sie die Autopsie durchführen?«, fragte Latasha.
»Um ganz ehrlich zu sein, ist noch gar nicht entschieden, ob ich sie überhaupt durchführen werde«, gab Jack zu. »Es hängt von dem Arzt und seiner Frau ab. Ich glaube, es könnte ihnen eine Hilfe sein, deshalb habe ich ihnen die Autopsie angeboten und bin nun dabei, herauszufinden, wie sie sich bewerkstelligen ließe.«
»Da gibt es noch etwas bezüglich der Exhumierungsgenehmigung, das ich eben zu erwähnen vergessen habe«, fiel Latasha plötzlich ein.
»Oh«, sagte Jack und zügelte seinen Enthusiasmus.
»Sie brauchen die Einwilligung und Unterschrift des nächsten Angehörigen.«
Jacks Schultern sackten herab. Er schalt sich selbst dafür, dass er nicht an diese Bedingung gedacht hatte, die jetzt so naheliegend klang. Natürlich würde der nächste Angehörige sein Einverständnis erklären müssen. In seinem Eifer, seiner Schwester zu helfen, hatte er seinen gesunden Menschenverstand völlig außen vor gelassen. Er konnte sich nicht vorstellen, dass der Kläger die Erlaubnis erteilen würde, seine tote Frau auszugraben, in der Hoffnung, dadurch dem Beklagten zu helfen. Doch dann erinnerte er sich daran, dass schon seltsamere Dinge geschehen waren, und da eine Autopsie wahrscheinlich das Einzige war, das er Alexis anbieten konnte, würde er sich nicht einfach kampflos geschlagen geben. Aber da war ja auch noch Laurie in New York. Um die Autopsie durchzuführen, würde er in Boston bleiben müssen, worüber sie sicher nicht begeistert sein würde. Wie so viele Dinge im Leben war auch diese Situation viel komplizierter, als ihm lieb war.
Fünfzehn Minuten später saß Jack wieder in seinem Hyundai Accent und trommelte mit den Fingern auf die Airbagabdeckung auf der Fahrerseite. Was sollte er jetzt tun? Er sah auf die Uhr. Es war zwölf Uhr fünfundzwanzig. Damit hatte es sich erledigt, in den Gerichtssaal zurückzukehren, da sich das Gericht sicher in der Mittagspause befand. Er hätte Alexis auf ihrem Handy anrufen können, doch stattdessen beschloss er, dem Bestattungsunternehmen einen Besuch abzustatten. Er faltete seinen Stadtplan auf und plante seinen Weg.
Aus Boston herauszufinden war auch nicht einfacher als die Fahrt in die Stadt, aber als er schließlich auf den Charles River stieß, wusste er wieder, wo er war. Nach zwanzig Minuten hatte er die richtige Straße im Vorort Brighton erreicht, und fünf Minuten später entdeckte er das Bestattungsunternehmen. Es war in einem großen, weißen Holzhaus in viktorianischem Stil inklusive Dachreiter und neoklassizistischen Details untergebracht, das früher einmal ein Einfamilienhaus gewesen war. Hinter dem Haus schloss sich ein aus Betonblöcken errichteter Anbau unbestimmten Stils an. Doch was aus Jacks Sicht das Wichtigste war: Es verfügte über einen großen Parkplatz.
Nachdem er den Wagen abgeschlossen hatte, ging Jack um das Gebäude herum zum Eingang und stieg die Stufen zu einer geräumigen umlaufenden Veranda hinauf. Es waren keine Verandamöbel zu sehen. Die Eingangstür war unverschlossen, und so betrat er die Eingangshalle.
Das menschenleere
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