Monument 14: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)
Niko.
» Oder ihr bringt einfach ein paar Mullbinden hierher « , sagte Mr. Appleton noch, während er auf den Boden sank.
22 – Frühstück mit Fremden
ZEHNTER TAG
Ein ehemaliger Soldat. Das dachte ich mir, als ich Mr. Appleton das erste Mal sah. In der Gegend gab’s viele frühere Army-Typen, und Mr. Appleton hatte die typische, übertrieben aufrechte Körperhaltung. Die Frisur passte auch – dieselbe Frisur wie bei den meisten Ex-Soldaten, die sich die Haare wachsen ließen: Sie wollten weg von der alten Stoppelfrisur, vielleicht weil sie fanden, dass sie kein Recht mehr hatten, wie ein Soldat rumzulaufen. Aber das Zeug sollte ihnen auch nicht gleich in die Augen hängen.
Ich hatte das Gefühl, dass Mr. Appleton sich eher mit den Kleinen arrangierte, als sie wirklich zu mögen. Nein, er mochte sie kein bisschen.
Robbie war dagegen ein echter Familienmensch. Das erkannte man auf den ersten Blick. Als er von den Kids umringt wurde, schwebte er im siebten Himmel. Aber so richtig überzeugt war ich erst, als ich sah, wie er mit Ulysses umging.
Während Niko Verbandszeug holen war, hockten sich die Kleinen rund um Robbie und Luna auf den Boden. Robbie ließ sich ihre Namen sagen und machte sie mit Luna bekannt. Mir fiel auf, wie er Ulysses beobachtete und abwartete, bis der Junge an der Reihe war.
» Soy Ulysses « , verkündete Ulysses, und Robbie streckte einfach die Hand aus und packte ihn und schloss ihn in die Arme. Eine endlose Spanisch-Lawine brach über uns herein, und im nächsten Moment weinte Ulysses, und Robbie weinte auch und presste ihn mit einem Arm an sich, während er mit dem anderen Luna fernhielt, die fand, dass es an der Zeit war, Robbies und Ulysses’ Gesicht sauber zu schlecken.
Offenbar hatte Ulysses die ganze Zeit eine Menge zu sagen gehabt. Er hatte nur keinen gehabt, der ihn verstanden hätte.
Ich werde nie begreifen, warum ich mich in der Highschool für Französisch und gegen Spanisch entschieden habe.
Niko tauchte mit der Ausrüstung auf. Er ging vor Mr. Appleton in die Knie, schnitt das Hosenbein der neuen Outdoor-Hose ein und riss den Stoff der Länge nach auf.
Mr. Appletons Bein war an zwei Stellen verletzt. In der Nähe des Knöchels klaffte eine Risswunde, die scheußlicher war als alles, was ich bisher gesehen hatte.
» Josie? « , sagte ich hilflos. » Sollen wir lieber die Kinder wegbringen? «
Vielleicht ergibt das keinen Sinn, aber mich erinnerte die Wunde an einen ausgeweideten Fisch: ein langer Schlitz, aus dem Fleischfetzen hingen – grünlich-gelbliche, schleimige Fetzen. Es blutete nicht, doch unter der Haut waren rote Linien zu erkennen, die die Wade an den Äderchen entlang hinaufwanderten. Rote, stellenweise auch ungesund grüne Linien.
Das eigentliche Blut strömte aus einer Wunde über dem Knie, die fast nach einem Biss aussah. Dort fehlte ein ganzer Brocken Fleisch.
» Wie ist das passiert? « , fragte Chloe.
» Stacheldraht « , sagte Mr. Appleton.
Niko goss Wasserstoffperoxid auf die Knöchelwunde. Es zischte. Laut.
» Kommt mit, Leute « , meinte ich. Mir war etwas schwindlig. » Niko braucht Platz zum Arbeiten. Ihr dürft mir alle in der Küche helfen. «
Die Kleinen stöhnten empört. Doch aus der Knöchelwunde stieg so ein widerlicher, modriger Gestank auf, dass sie sich schließlich doch von Josie, Sahalia, Alex und mir einsammeln ließen.
Die Kids stürmten in einer Art Hopserlauf zur Küche, wie eine Bande Grashüpfer. Es war ja auch unglaublich aufregend: Zwei Erwachsene ! Und ein Hund !
» Batiste! « , beorderte ich meinen Chefkoch zu mir. » Jetzt muss was Besonderes her. «
» Ein zweites Frühstück? « , fragte er.
» Das erste waren gottverdammte Eisbecher. «
» Du-sollst-den-Namen-des-Herrn-nicht-missbrauchen « , ratterte er runter. » Okay! Wir veranstalten ein Dankesmahl. Wie Thanksgiving, nur zum Frühstück! «
Batiste rannte voraus in die Lebensmittelabteilung, Chloe rannte hinterher, um ihm zu helfen. Offensichtlich vertrugen sich die beiden mittlerweile ein bisschen besser.
Ich bat Alex und Sahalia, das ganze Eisbecherzeug zu entsorgen.
Die anderen Kleinen schaffte ich mir vom Hals, indem ich sie unter Josies Aufsicht Bananen-Nuss-Muffins backen ließ. Batiste und ich brachten die Küche zum Glühen.
In unter fünfundvierzig Minuten produzierten wir eine Gemüsequiche, stapelweise Kartoffelpuffer und einen eigenwilligen Obstsalat, den man laut Batiste » Ambrosia « nannte. Außerdem brutzelten wir die
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